Inventare Teil 8. Inventar des Kriegsarchivs in Wien (1953)

I. Band - 5. Das Kriegsarchiv als wissenschaftliche Anstalt

46 schon vor Ablieferung irgendwie hätten gesichtet werden können. Die Schwie­rigkeiten der Skartierung ruhten teils in der Raumfrage, teils in der Personal­frage, so daß es wiederholt zu überstürzten Ausscheidungen kam, die haupt­sächlich deshalb der Forschung Schaden zufügten, weil fachkundiges Personal nicht immer zur Verfügung stand. Im KA. begann die Skartierung verhältnismäßig frühzeitig, wozu die vielen Kriege zwangen. 1764 beantragte FM. L a c y, überflüssige Akten „zu kassieren“ und er ließ die Feldakten durch Hofkriegsräte und Kriegs­kommissäre — also durch Fachpersonal — von der „Unmenge unnötiges und überflüssiges Papier“ befreien25). Ebenso ließ FML. v. Duka 1801 gründlich „purifizieren“ und 1817 folgte FML. v. Prohaska diesem Bei­spiel26). Daß sehr durchgreifend ausgemerzt wurde, besagen z. B. die Ziffern für 1817, in welchem Jahre 65.653 Aktenstücke vertilgt und nur 546 auf­gehoben wurden, oder für 1819: 15.720 gegen 589. Die eingesetzte „Akten- Untersuchungs- und Vertilgungs-Kommission“ machte sogar das unmittelbare Eingreifen des Kaisers Franz I., des Eh. Carl und Radetzkys erforderlich. Gelegentlich der Übersiedlung des KM. auf den Stubenring im Jahre 1912/13 erhielten die Abt.-Vorstände die Ermächtigung, im eigenen Wirkungskreise „Kanzleiballast“ zu vernichten. Nach dem 1. Welt­kriege ergab sich eine neue Gelegenheit, bei Einlieferung von Archivkörpern in das KA. überflüssige Akten auszuscheiden, was auf Verfügung des MLA. 1923 geschah. Seither kam es zu keinen großangelegten Skartierungen mehr. Die Ausmerzungen beschränkten sich auf gelegentliche Sichtungen bei Ord­nungsarbeiten. So blieben nicht nur aus dem Weltkriege 1914/18, sondern auch aus der Liquidierung der k. u. k. Wehrmacht sowie des ÖBH. beträchtliche Aktenmengen zurück, die der Skartierung harren. Am 1. 8. 1951 konnte das BKA. die Möglichkeit schaffen, daß im KA. mit 5 Skartierern die Durchsicht mehrerer Archivkörper in Angriff genommen wurde. Bis Ende 1952 ergaben sich 13.000 kg Altpapier, d. h. ungefähr 2600 Faszikel. Die Skartierung war in den Mil.-Zentralstellen, bei den Mil.-Gerichten und im KA. jederzeit durch Dienstvorschriften geregelt und wenn sich unliebsame Durchführungen ergaben, lag dies an den Zeitverhältnis3en. Was immer man gegen Skartierungen Vorbringen mag, es bleibt die Tatsache bestehen, daß ohne die stattgehabten Skartierungen sich das KA. in einem kaum benützbaren Zustand befinden würde und daß es in seinen gegenwärtigen Räumen über­haupt nicht untergebracht werden könnte. So muß trotz vieler menschlicher Schwächen und Fehler heute noch allen gedankt werden, die für zeitgerechte Skartierungen Sorge getragen haben. Als im Weltkriege 1914—1918 der Aktenzustrom ein bisher noch unbe­kannt gewesenes Ausmaß annahm, sah sich die Archiv-Direktion veranlaßt, für die damals als Archivare verwendeten Offiziere — es waren fast durch­wegs kriegsinvalide Truppen-Offiziere —, besondere Kurse zu veranstalten. 1917 trat ein „Informations-Kurs über Archivwesen“ ins 25) KA., Archiv-Geschichtsakten 1764. — Bemerkenswert ist, wie Lacy diese „Skartierung“ durchgeführt haben wollte. Die Akten der kommandierenden Gene­rale (offenbar ist Material aus deren Hauptquartieren gemeint), z. B. Prinz Eugen, Khevenhüller, Wallis, Seckendorff, Königsegg, seien von den Hofkriegsräten (also leitenden Beamten) „nach ihrer Gemächlichkeit“ zu sichten. „Commissariatische Tabellen“ (Standes- u. Musterlisten oder Rechnungsbelege) sollte das Kriegskom­missariat nach Brauchbarem durchgehen; allenfalls wären sie auch den Regi­mentern zurückzustellen oder völlig zu kassieren. 26) Langer, a. a. O., S. 43.

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