Inventare Teil 8. Inventar des Kriegsarchivs in Wien (1953)

I. Band - 1. Die Entwicklung des archivalischen Besitzstandes

6 B. Von 1801 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914. Die Zeit um die Wende des 18. zum 19. Jhdt. stellte an alles, was mit dem Kriegswesen zusammenhing, neue, erhöhte Anforderungen. Dazu war ein Institut notwendig, das den mit den Kriegsvorsorgen und mit der Heer­führung betrauten Männern alle für ihre Aufgaben erforderlichen wissen­schaftlichen Grundlagen wie praktischen Behelfe darzubieten vermochte. Für diesen Zweck war das hofkriegsrätliche Archiv, das nicht ausschließlich kriegsgeschichtlichen Zwecken diente, sondern noch mit Nebenaufgaben be­traut war, nicht völlig geeignet. Nach dem Frieden von Lunéville beantragte daher Eh. Carl in einer Denkschrift, ein vom bisherigen Archiv getrenntes, besonderes „Kriegsarchiv“ zu errichtein, das von fachkundigen Offizieren zu leiten sei. Am 23. März 1801 erfolgte die Genehmigung und das Kriegsarchiv wurde dem GQuMSt. unterstellt. Daneben blieb das alte hofkriegsrätliche Archiv (später kurz Kanzleiarchiv genannt) unter eigenen Direktoren bis 1846 bestehen; hierauf wurde es der Registratur des HKR. einverleibt und kam 1848 mit dieser zum KM. Die dem KA. erteilte neue Instruktion zerlegte das archivalische Material in drei Hauptgruppen: Geschichte des Krieges, Länderkenntnis sowie Theorie und Geschichte der Kriegswissenschaften. Dementsprechend wurden drei Ab­teilungen gebildet: die Schriftenabteilung, die topographische mit der Biblio­thek und eine besondere Abteilung für kriegswissenschaftliche Arbeiten. Die Bestände wurden durch Übernahme des einschlägigen Schriftgutes aus dem alten Archiv und der Registratur des HKR. sowie aus dem Archiv des Genie­korps und der Generalkommanden neu aufgebaut. Der Erwerb wünschens­werter Stücke aus Verlassenschaf ten von Militärpersonen wurde geregelt. Eh. Carl veranlaßte die Erfassung der in Budweis aufgefundenen Fried­ländischen Feldkanzlei, sowie der schriftlichen Nachlässe namhafter Feldherrn bis herauf zur Jahrhundertwende. So kam rasch ein reichliches uind wertvolles Material zusammen, dessen archivgerechte Verarbeitung allerdings durch innere und äußere Hemmnisse beeinträchtigt wurde, denn die beiden zu gleicher Zeit einsetzenden Tätig­keiten, archivalische Ordnungs- und kriegsgeschichtliche Arbeiten, gingen oft über die vorhandenen Kräfte. 1805 und 1809 mußten außerdem die meisten Offiziere des Archivs ins Feld rücken, das Archiv selbst wurde nach Ungarn verlagert. Zu einer wirklich fruchtbaren Tätigkeit kam das Archiv erst 1815. Die napoleonischen Kriege hatten einen reichen Zustrom von Feldakten ge­bracht, ein weiterer, regelmäßig fließender Zuwachs ergab sich von der „Akten- Ausmerzungs-(Untersuchungs- und Vertilgungs-) Kommission.“ Die Notwendigkeit, die beim HKR. und seinen untergebenen Stellen ange­häuften Aktenmengen auf ein erträgliches Ausmaß herabzusetzen, hatte 1801 einen neuen Antrieb erhalten35). Die Untersuchungskommission hatte zwar im Einvernehmen mit dem KA. vorzugehen, da sie aber ohne militärischen Bei­rat arbeitete, so fanden die Interessen der kriegsgeschichtlichen Forschung oft wenig Verständnis. Das Archiv konnte seine Auswahl nur aus den von der Kommission übermittelten Verzeichnissen oder Aktenfaszikeln treffen, nicht aber aus dem Originalbestand. Der Vorgang war langwierig und konnte erst in eine gedeihliche Form gebracht werden, nachdem Direktor Obst. Ernst dem 1816 ernannten Chef des GQuMSt., FML. Johann v. Prohaska, in einem ausführlichen Bericht alle Erfordernisse des Archivs dargelegt und 35) HKR. 1801—32—244.

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