Inventare Teil 8. Inventar des Kriegsarchivs in Wien (1953)
I. Band - 1. Die Entwicklung des archivalischen Besitzstandes
1. Die Entwicklung des archivalischen Besitzstandes. A. Von der Gründung des Archivs 1711 bis zu den Reformen des Erzherzogs Carl 1801. Am 4. April 1711 ernannte Kaiser Josef I. Bernhard Rosenbaum zum ersten Archivarius beim Hofkriegsrat1). Die am gleichen Tage erlassene Dienstinstruktion* 2) des neubestellten Archivars legte Zweck und Bestimmung der Neugründung, welches Material darin aufzunehmen und wie es einzurichten sei, fest. In beiden Dokumenten kam deutlich zum Ausdruck, daß das Archiv des HKR. mit dem Schriftgut auszustatten war, das aus den bei dieser Behörde seit mehr als iy2 Jahrhunderten angesammelten Beständen zu schöpfen war: das Institut hatte staatliche Archivalien aufzunehmen, benützbar zu verwalten und in weiterer Folge bei der Verwertung seiner Schätze staatlichen Interessen zu dienen. Im Sinne der Gründung und des Geistes jener Zeiten konnte es sich nicht so sehr um Übernahme geschlossener Aktenbestände, sondern vielmehr nur um eine Auswahl aus dem Aktenlager, der Registratur3) des HKR., handeln, der als ein Amt mit ausgebreitetem Wirkungskreis auch auf ältere Jahrgänge seiner Akten für den laufenden Betrieb nicht verzichten konnte. Nach mehrfachen Versuchen, für die oberste Leitung des Militärwesens in den habsburgischen Erblanden eine Zentralstelle zu schaffen, worum sich schon Kaiser Maximilian I. bei seiner Behördenorganisation bemüht hatte, war unter seinem Nachfolger Ferdinand I. 1556 ein „steter Kriegsrat“ eingesetzt worden 4), aus dem sich der HKR. als ständige Hofstelle entwickelte. Mit der Gründung dieser Zentrale für das gesamte Kriegswesen war auch die Stätte gegeben, an der sich aus dem amtlichen Geschäftsverkehr ein schriftlicher Niederschlag ansammeln mußte. Eine ständige Behörde mußte auf ein geordnetes Kanzleiwesen bedacht sein, ihre Akten und Dokumente aufbewahren und den Schriftwechsel protokollieren. So erwuchs aus der hof- kriegsrätlichen Registratur ein Archivkörper und damit war die Grundlage für ein militärisches Archivwesen in Österreich gegeben. Der Aktenbestand des HKR. setzte nicht mit seinem Gründungsjahr 1556 ein, sondern reichte !) Siehe S. 14 f. 2) Siehe S. 16. 3) Der Kanzleigebrauch des HKR. behandelte die einlaufenden Schriftstücke im „Expedit“, die auslaufenden in der „Registratur“, vgl. hiezu auch S. 124 ff. 4) O. Regele, Der österreichische Hofkriegsrat 1556—1848, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, herausgegeben von der Generaldirektion, Ergänzungsband I., Wien 1949, S. 13 ff., J. Langer, a. a. O., S. 2 ff.; Th. Fellner- H. Kretschmayr, Die österreichische Zentralverwaltung, I. Abt., 1. Bd., S. 234 ff. — Die Instruktion vom 17. November 1556 bei Fellner-Kretsch- mayr, a. a. O., I. Abt., 2. Bd., S. 276 ff.; im Auszug bei Regele, a. a. 0., S. 80. 1