Otto Stolz: Inventare Teil 6. Geschichte und Bestände des staatlichen Archivs (jetzt Landesregierungs-Archives) zu Innsbruck (1938)
Erster Teil: Die Geschichte des Innsbrucker staatlichen Archivs im allgemeinen
14 1. Teil. Die Geschichte des Innsbrucker staatlichen Archivs im allgemeinen. Das änderte sich, als im Jahre 1866 die damaligen Professoren der Geschichte an der Universität Innsbruck Ficker, Stumpf und Huber, die ja damals und nachher als Geschichtsforscher einen sehr bedeutenden Ruf sich erworben haben, an die Staatsregierung das Ersuchen richteten, zur Hebung der Geschichtsforschung in Innsbruck das Archiv der Statthalterei von der Registratur ganz zu trennen und mit der Leitung des ersteren David Schönherr zu betrauen, der durch geschichtliche Arbeiten schon damals hervorgetreten war, Hochschulbildung besaß und sich nachher auch in den historischen Fächern bei den genannten Professoren fortgebildet hat. Dieser Anregung hat die Staatsregierung Folge gegeben und das Statthalterei-Präsidium hat verfügt, daß „das Archiv — als eine Sammlung der für die Geschichte schätzbaren Urkunden und Bücher — von der eigentlichen Registratur, welche die für die Administration nötigen Akten, Behelfe und Nachschlagsregister enthält, tunlichst getrennt und dem Archiv und der Registratur eigene Lokalitäten zugewiesen werden. Das Archiv solle den Titel Statthalterei-Archiv führen und für die historische Forschung dienlich sein“. Damit war das Archiv als selbständige Anstalt, die in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken zu dienen habe, erklärt.1 Allerdings waren ähnliche Auffassungen auch schon früheren Zeiten nicht völlig fremd, wie die Anweisung der Kaiserin Maria Theresia an den Innsbrucker Archivar Roschmann vom Jahre 1760 zeigte, er solle nämlich in seinen Forschungen und literarischen Arbeiten besonders die Geschichte des Landes und der Landesfürsten von Tirol seit dem 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart behandeln und hiezu die Urkunden des Archivs verwenden.2 Dem Statthaltereiarchiv sind im Jahre 1866 oder bald nachher nicht nur Urkunden und Bücher, wie die erwähnte Verfügung sagt, sondern auch die älteren Akten, nämlich jene der Hofregistratur, zugeteilt worden.3 Die Zeitspanne zwischen dem Archiv und der Registratur betrug also damals nach 1866 bis 1896 fünfzig bis achtzig Jahre, Im Vergleiche mit den anderen staatlichen Archiven Österreichs ist jenes zu Innsbruck eines der ältesten und damit wohl auch im gesamten deutschen Sprach- und Kulturgebiet. Als selbständige Anstalt zur Aufbewahrung von Urkunden und sachgemäßen Benützung derselben für die Staatsregierung tritt es bereits seit dem Anfang des 16. Jh. unter der Bezeichnung „oberösterreichisches Schatzarchiv“ in Erscheinung, eigentlich einige Jahre früher als das niederösterreichische in Wien. In der Bildung von Aktenregistraturen waren die oberösterreichische Hofkanzlei, Regierung und Kammer in Innsbruck mindestens ebenso früh, nämlich auch seit dem 16. Jh., daran wie die Behörden in Wien. Im Laufe des 17. und 18. Jh. haben dann diese Wiener Behörden mit ihrer Wirksamkeit für den österreichischen Gesamtstaat freilich eine 1 Vgl. M. Mayr in Forsch, z. Gesch. Tir. Bd. 3 (1906) und Arch. Zt. 14 (1907) S. 287 f. „Zum 40jährigen Bestände des Innsbrucker k. k. Statthalterei-Archives“ mit wörtlicher Wiedergabe jener Eingabe. 2 Vgl. Mitt. f. österr. Geschichtsforschung 51. Bd. S. 185 ff. 3 So laut des Inventars von Schönherr S. 6.