Otto Stolz: Inventare Teil 6. Geschichte und Bestände des staatlichen Archivs (jetzt Landesregierungs-Archives) zu Innsbruck (1938)

Erster Teil: Die Geschichte des Innsbrucker staatlichen Archivs im allgemeinen

Grundbegriffe und Gliederung des Archivs. Benützern dieses Inventars, welche mit der Archivkunde sich noch nicht näher befaßt haben, ist es wohl erwünscht, kurze Erklärungen der wichtigsten Grundbegriffe dieses Faches auch hier zu erhalten. Archiv ist eine Sammlung von Schriften, die bei einer Behörde oder bei einer privaten Rechtspersönlichkeit infolge der Yerwaltungs- und Geschäftsführung dieser im Laufe der Zeit erwachsen ist. Diese Schriften haben die Behörden oder Privaten entweder als Ausfertigung (Original) von anderen erhalten oder sie haben sich Entwürfe und Abschriften (Kon­zepte und Kopien) der von ihnen an andere abgesendeten Schriften auf­bewahrt. So stehen in jedem Archive Empfang oder Eingang oder Ein­lauf auf der einen, Ausstellung oder Ausgang oder Auslauf auf der anderen Seite. Die Behörde sammelt durch ihre Kanzlei diese Schriften oder Akten in ihrem täglichen Betriebe nach einem gewissen System. Sofern die Kanzlei unmittelbar diese Aktensammlung verwahrt, nennen wir dieselbe „Registratur“ im eigentlichen Sinne. Wenn aber mit dem Fortschrei­ten der Zeit die Verwahrung und Benützung dieser Schriften von der Kanzlei abgetrennt und zu einer selbständigen Anstalt gemacht wird, so heißt man diese „A r c h i v“. Den ganzen Vorgang nennt man das organi­sche Wachstum eines Archivs. Werden die Schriften verschiedener Ämter, Registraturen oder Archive, die bisher selbständig verwahrt oder verwaltet worden sind, in einem staatlichen Großarchive vereinigt, so bilden jene dessen natürliche, organische Abteilungen oder, wie man meist sagt, seine Archivkörper, Fonde oder Bestände. Erste Forderung ist heute, daß diese Archivkörper in ihrem erwachsenen Umfang erhalten bleiben, nicht etwa deshalb untereinander gemengt werden, weil sie sich inhaltlich auf gleiche oder ähnliche Gegenstände und Gebiete be­ziehen. Die Wahrung dieses Provenienzprinzips oder Herkunfts­grundsatzes wird heute allgemein anerkannt, aber erst seit etwa fünfzig Jahren, früher hat man vielfach die staatlichen Großarchive nach dem entgegengesetzten Gesichtspunkte des inhaltlichen Bezuges geordnet. (Siehe darüber weiteres unten S. 36 f.) Die einzelnen Archivalien zerfallen nach ihrer äußeren Form, der aber auch gewisse innere Zwecke entsprechen, und nach der dadurch be­dingten Aufbewahrungsweise in drei Arten, nämlich: A. Urkunden, B. Ak­ten, C. Bücher und Kodizes. Urkunden sind Niederschriften von Rechtshandlungen in bestimm­ter äußerer Form, meist auf Einblättern von Pergament oder Papier von sehr verschiedenen Ausmaßen, mit angehefteten oder aufgedrückten Siegeln zur Beglaubigung. Bestehen die Urkunden aus mehreren zusammengehef­1*

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