Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Österreichische Akten, von Lothar Groß
30 Österreichische Akten. dann auch noch das Archiv des Domkapitels zur Abgabe nach Wien bestimmt und ein Teil desselben auch dann tatsächlich dorthin gebracht. Am 30. Juli 1806 ging der erste Transport in 58 Kisten auf dem Wasserwege nach Wien ab und traf am 4. August in Nußdorf ein. Am 8. August wurden die Archivalien vorläufig in das Gebäude der niederländischen Kanzlei gebracht. Mit den Archiven waren auch der salzburgische geheime Archivar Adam Josef Emmert und der frühere Berchtesgadener Archivar Josef Knechtl nach Wien gekommen, die nunmehr in den Dienst des StA. übernommen wurden und von denen besonders der letztere im Laufe der nächsten Jahrzehnte eine überaus eifrige Tätigkeit in seinem neuen Wirkungskreis entfalten sollte. Am 23. Oktober langte dann ein zweiter Transport von 12 Kisten in Wien an. In Wien verteilte man die Archivalien an verschiedene Stellen. Das geheime Hauptarchiv und das Domkapitelarchiv wurden dem StA.1 zugewiesen, ebenso das Berchtesgadener Archiv. Die geheime Registratur wurde aufgeteilt, der größte Teil wurde von der Staatskanzlei übernommen, darunter alles auf die Stellung der Erzbischöfe als Reichsfürsten Bezügliche (Reichslehensempfang, Reichsabschiede, Reichsund Kreismünzwesen, Kreishandlungen und Abschiede, Prinzipalkommissionsakten, Reichsfürstenratsprotokolle, Comitialberichte, Westfälische Friedenshandlungen, Reichskammergerichtliche Akten). Ein weiterer Teil der geheimen Registratur, darunter die deutschen Kirchensachen und die älteren und neueren Kriegsakten, kam in die k. k. vereinigte Hofstelle (vereinigte Hofkanzlei) und schließlich ein dritter kleiner Teil in die Hofkammer. Ein sehr beträchtlicher Teil der geheimen Registratur blieb übrigens in Salzburg zurück. In einer vollständigen Verkennung des Wertes der in die Staatskanzlei gelangten Salzburger Reichsakten ordnete die Staatskanzlei bereits am 14. Sept. 1806 in einer von Hormayr verfaßten Weisung an den Archivar Gassier die Vernichtung dieser als überflüssig und wertlos betrachteten Archivalien an, welcher Auftrag leider auch alsbald vollzogen wurde. Da Hormayr damals alle auf das StA. bezüglichen Agenden bearbeitete, muß man wohl ihn für diese unsinnige Maßnahme, die uns wertvollsten Quellenstoffs beraubte, verantwortlich machen. Die Staatskanzlei behielt nur die Akten über Adelsdiplome und über das Verhältnis zu Bayern zurück. Leider wurden 1807 auch die Akten der Salzburger Gesandtschaft beim Regensburger Reichstage vernichtet.2 Das Jahr 1809, das den Wiener Archiven so übel mitspielte, zog auch die neugewonnenen Salzburger Archivalien in Mitleidenschaft. Die dem StA. zugefallenen Archivalien wurden zwar dem Zugriff der Franzosen durch die Flüchtung nach Ungarn entzogen, hingegen bemächtigten diese sich der in der Hofkanzlei befindlichen Akten und schleppten sie nach Paris, von wo sie erst 1815/16 zurückkamen. Gemäß Artikel 8 des Friedens von Schönbrunn vom 14. Okt. 1809 sollten die Salzburger Archivalien an Bayern, dem in diesem Frieden Salzburg abgetreten wurde, ausgeliefert werden. Die Archivalien wurden auch zur Auslieferung vorbereitet, jedoch niemals wirklich ausgeliefert. Österreich weigerte sich, sie an Bayern aus- * 1 AB. 35/11, Beilage. * Vgl. Archivalische Zeitschrift, Bd. 36, S. 216 ff.