Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Belgien, von Oskar Schmid

V. Selekt Beydaels. 353 Die Mehrzahl der an die Hofkanzlei ausgelieferten Beydaelsschen Akten wurde im Jahre 1933 neuerdings den Beständen des Staatsarchivs an­gegliedert.1 Legt man sich die Frage nach der Güte und Glaubwürdigkeit der Beydaelsschen Ausarbeitungen und seiner Materialien überhaupt vor, so empfiehlt es sich, denselben, trotz vielem Wertvollen, das sich darin findet, keine unbedingte Beweiskraft zuzubilligen. Wenngleich unumstößliche Be­weise vorliegen, daß Beydaels vom Oberstkämmereramte zur Untersuchung von Stammbäumen, zur Klärung genealogischer Fragen herangezogen wurde,* 2 daß der Wappenkönig auch sonst eine Reihe von Bestätigungen über Adel und Wappen ausstellte, wie zahlreiche vorhandene Konzepte dartun,3 darf man doch zumindest seiner Tätigkeit in Wien keine un­bedingte Beweiskraft zubilligen, auch wenn da und dort erklärt wird, daß den von Beydaels unterfertigten Urkunden völliger Glauben sowohl vor als auch außer Gericht gebühre.4 Fest steht, daß Beydaels Tätigkeit schon zu seinen Lebzeiten berechtigten Zweifeln begegnete,5 daß er z. B. im Staatsschematismus von 1811 ausschließlich als Wappenkönig des Goldenen Vlieses verzeichnet zu finden ist, daß in den Staatskanzleiindizes sowenig wie in der Registratur des StA. Vermerke über Beydaels Beglaubigungen zu finden sind und, da ihm einige unzutreffende Ausarbeitungen nach­gewiesen werden konnten, sich späterhin das Ministerium des Innern auf den Standpunkt der Ablehnung der Beweiskraft Beydaelsscher Gutachten stellte. Möglicherweise wird dem Wappenkönig insofern Unrecht getan, als dereinst andere heraldische Ämter nicht besser und schlechter als Beydaels arbeiteten und auch in andern Fällen Einbildungskraft, das romantische Zeitalter und Aussicht auf Taxen eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Bei der Durchsicht der Beydaelsschen Materialien kann man sich auch des Eindruckes nicht erwehren, daß er bei amtlichen Arbeiten verhältnismäßig subtil zu Werke ging, bei privaten Gutachten aber öfters der Phantasie zu freien Lauf ließ. Daß überhaupt Alther­gebrachtes ohne besondere kritische Einstellung übernommen wurde, darf nicht wundernehmen. Es war gewiß für einen Anwärter auf die Stelle eines Chefs der heraldischen Kammer für die k. k. Erbländer nicht an der Zeit, an der überlieferten Genealogie der Habsburger zu rütteln.6 Das heutige Selekt Beydaels ist eine von Oskar Mitis zusammen­gestellte Abteilung, die in jüngster Zeit im Jahre 1933 durch 28 Bände und eine Reihe loser Akten, Rücklieferungen aus dem Adelsarchiv, ver­Karton 4, V). Weitere kleinere Auslieferungen vom StA. an das Adelsarchiv erfolgten dann noch im Jahre 1845, nämlich 211 Stück „Lett.res de Chevalerie 1601—1622“ (ein Behelf dazu findet sich in AB. 264) und 134 Stück „Titres d’Annoblissemens 1600—1622“, sowie im Jahre 1856, drei Faszikel niederländische Adelsakten. 1 Siehe unten. 2 Vgl. die einschlägige Original-Korrespondenz 1805, 1806 (Selekt Beydaels, Karton 2, III) sowie die Äußerung des Chevaliers Th. J. v. Neuhaus vom 20. Febr. 1828 (ebenda, Karton 4, V), daß Beydaels zu Gutachten bei Kämmerer- und Sternkreuzordensproben herangezogen wurde. 3 Vgl. ebenda, Karton 2, III. 4 Vgl. die Bestätigung Leenherrs auf der von Beydaels am 25. Febr. 1811 ausge­arbeiteten „Genealogie der uralten und adelichen Familie von Faesch“, ebenda, Abschr.fol. 37 6 Vgl. S. 350 Anm. 3. 6 Vgl. Selekt Beydaels, Bd. 172/2. Inventars des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 7. 23

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