Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
56 Die Urkundenabteilung. abteilung Dachsperg um Urkunden aus dem Archive des mit dem früher genannten Jörg von Dachsberg im Jahre 1423 erloschenen Zweiges dieses Geschlechtes (ein anderer erst Ende des 15. Jahrhunderts erloschener Zweig interessiert uns hier nicht). Während des Streites, der sich um Jörgs Erbe entspann, nahm der Landesfürst, Herzog Albrecht Y. von Österreich, dessen Archiv in Verwahrung. In einem Schreiben vom 24. Aug. 1430 an Heinrich von Pottendorf fordert er diesen auf, bei der Verteilung des Dachsbergi- schen Archivs in der herzoglichen Kanzlei zu erscheinen „von der brief wegen, die weil ent Jorgen von Dachsperg sind gewesen und hinder uns in unser kanczley sind nidergelegt worden“.1 Die Dachsbergischen Besitzungen kamen teils eben an Pottendorf, teils an Stubenberg, Eckartsau, ein größerer Teil an Starhemberg; viele Lehen fielen auch dem Landesherrn heim.2 Mit den Erbanteilen wanderten auch die zugehörigen Archivalien in verschiedene Hände: der Teil des Archivs, dem rechtliche Bedeutung nicht mehr zukam, also die ältesten Urkunden, fiel an die Pottendorf, gelangte nach dem Tode Georgs von Pottendorf im Jahre 1487 durch Erbschaft an die Herren von Puchheim und liegt heute mit dem Archiv dieses Geschlechtes im Hoyos-Sprinzensteinschen Archiv in Horn.3 An die Starhemberg kamen, wie ausgeführt wurde, auf Grund des Vermächtnisses Jörgs von Dachsberg von 1406 die Rappottensteiner und Wolkersdorfer Urkunden; sie kamen dann, wie wir hörten, über Hohenberg ins Schatzgewölbe und finden sich in der Abteilung Wölkersdorf im „Putsch“ (es sind nur 5 Stück). Eine beträchtliche Anzahl von Urkunden, nämlich an 50, kam gleich ins herzogliche Schatzgewölbe, zum großen Teil als Zugehör der heimgefallenen Lehen, zum Teil blieben sie wohl auch infolge der Verwahrung des ganzen Dachsbergischen Archivs in der herzoglichen Kanzlei hier zurück. Diese Urkunden bilden die Abteilung Dachsperg des „Putsch“. Gleichfalls etwa 50 Urkunden einheitlicher Provenienz enthält die unmittelbar vor der Abteilung Dachsperg eingereihte Abteilung Pottendorf. Von dem Archiv des bekannten Georg von Pottendorf (f 1489), der als Oberster Schenk, Landmarschall und Söldnerführer (Feldhauptmann) lange Jahre im Brennpunkt der österreichischen Politik gestanden war, kam ein Teil, wie wir gerade hörten, an die Herren von Puchheim und liegt mit deren Archiv heute im Hoyos-Sprinzensteinschen Archiv in Horn; ein nicht unbeträchtlicher, wesentlicher Teil aber, eben unsere 50 Putschurkunden, gelangten mit den an den Kaiser fallenden Gütern (darunter auch die Herrschaft Pottendorf selbst) in kaiserlichen Besitz. Es sind Urkunden aus dem Zeitraum von 1357—1488, meist Schenkungen, Leib- gedingreverse und Kaufbriefe auf die Pottendorf. Die älteste Urkunde ist ein Kaufbrief der Stadt Wien auf Leutold von Pottendorf von 1357; zuletzt 1 Siehe 0. Brunner, Das Archiv des Landmarschalls Ulrich von Dachsberg (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, II, 1929), S. 89, Anhang Nr. 4. Die Verteilung des Dachsbergischen Archivs wird auch in der Urkunde Herzog Albrechts V. vom 19. Mai 1430 über die Verteilung des Erbes erwähnt; siehe ebenda, S. 63 Anm. 4. 1 Siehe A. Kerschbaumer, Das Geschlecht der Dachsberge in Niederösterreich (Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 16, 1882), S. 301. 3 Vgl. O. Brunner, Beiträge zur Geschichte des Fehdewesens, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 22, 1929, S. 434 und 483.