Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

16 Die Urkundenabteilung. archiven finden. Im ganzen aber kann man sagen, daß trotz der Abtren­nung einzelner Teile nach praktischen Gesichtspunkten ein großer Teil der Urkunden doch in ihrem ursprünglichen Zusammenhang blieb. Eine Störung erfuhr die Reinheit der Provenienz — ebenfalls schon durch Putsch — auch dadurch, daß im Zusammenhang mit der praktischen Bedeutung der Urkunden damals das Betreifsprinzip die Grundlage für die Ordnung von Archivalien abgab. Wenn z. B. ein Adelsarchiv bei Aus­sterben des Geschlechtes oder bei Einziehung der Güter (etwa aus Anlaß einer Erhebung gegen den Landesherrn) mit eingezogen wurde, so wurde es zwar, wie schon aus dem Gesagten hervorgeht, keineswegs nach dem Betreffsprinzip aufgeteilt, aber es wurden die im Wiener Schatzgewölbe be­reits vorhandenen oder auch später noch hieher gelangenden Urkunden, die sich auf dieses Geschlecht und seine Besitzungen bezogen, damit ver­einigt. Am stärksten war dieser die provenienzmäßige Einheitlichkeit trübende Zuwachs von Urkunden aus verschiedenen Empfängerarchiven, in erster Linie natürlich aus dem landesherrlichen, dann, wenn das be­treffende Geschlecht schon früh und lange Zeit hindurch zu den österreichi­schen Landesherren durch Kauf- und Pfandverträge, Eintritt in landes­herrliche Dienste, Bekleidung verschiedener Ämter, besonders der Erb­ämter, in Beziehungen gestanden war. So finden wir z. B. die Meissauer als Ministerialen schon auf Seite des letzten Babenbergers, dann auf Seite der Habsburger, die sie gegen Ludwig den Bayern, später gegen die Hussiten unterstützen; seit 1278 bekleiden die Meissauer das Marschallamt (übrigens war schon unter Przemysl Ottokar Otto II. von Meissau Landrichter in Österreich und erhielt 1260 die Würde eines Landmarschalls) und seit 1348 das oberste Schenkenamt. Das spiegelt sich deutlich in der Zusam­mensetzung des Bestandes Meissau in dem von Putsch geordneten Wiener Schatzgewölbearchiv: das eigentliche Meissauische Archiv, das zum großen Teil 1430 anläßlich der Einziehung des größten Teiles der Güter des von Herzog Albrecht Y. wegen Einverständnisses mit den Hussiten gefangen genommenen Otto von Meissau ins herzogliche Schatzarchiv gekommen war — der Rest kam wohl bei Erlöschen des Hauses im Jahre 1440 dazu —, ist stark durchsetzt von Urkunden herzoglich österreichischer Provenienz, Dienst- und Pfandreversen, Vermächtnissen auf die österreichischen Her­zoge. Ähnlich finden sich in dem Archiv der Herren von Walsee, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, also seit diese herzoglichen Dienstleute auch als Hofmeister, Hauptleute ob der Enns und seit dem Aussterben der Meissauer als Oberste Marschälle in Österreich mit dem Landesherrn in mannigfachen Beziehungen standen, häufig Urkunden, Pfandreverse, Schuldbriefe, auf den österreichischen Herzog, also aus der herzoglichen Registratur, die diese Beziehungen zum Gegenstand haben. Von dem Archiv der Grafen von Montfort war gar nur ein kleiner Teil nach Wien gelangt, während der Großteil der Abteilung Montfort durch Montforter Betreffe aus den habsburgischen Schatzgewölben in Wien, Innsbruck und Graz gebildet wird: Erb- und Vormundschaf tsverträge, Schenkungsurkun­den und Dienstreverse auf habsburgische Herzoge seit dem Beginne des 15. Jahrhunderts bezeugen die vielfältigen Beziehungen dieses Dynasten-

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