Inventare Teil 5. Band 5. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1937)

Das Habsburg-Lothringische Familien Archiv von Fritz Von Reinöhl

32 Das habsburg-lothringische Familienarchiv. geordnet und zerfiel in drei große Gruppen. Deren erste enthielt die wäh­rend der ganzen Lebenszeit des Kaisers bei ihm eingelaufenen privaten Briefe der Glieder seines Hauses und verschwägerter Häuser, fremder Sou­veräne und Privater, eine umfangreiche Sammlung von Briefschaften und Aufzeichnungen von Familienmitgliedern aus dem 18. Jahrhundert und von Familienschriften. Auch eine 1830—-1832 angelegte Sammlung von Ab­schriften von Familienurkunden aus der Zeit von 1281—1830 (siehe oben S. 12 f.) dürfte dieser Gruppe angehört haben. Die zweite umfaßte erledigte, meist die Staatsverwaltung betreffende Akten, die dritte — einen eigenen Schrank füllend — alle eigenhändigen Reiseaufzeichnungen und Audienz­vormerkungen des Kaisers sowie gleichartige Aufzeichnungen Kaiser Josefs II. Nach dem Tode Franzens wurden aus seinem Arbeitszimmer nur die von ihm nicht mehr erledigten Aktenstücke entfernt und dem Staats­minister Franz Anton Graf Kolowrat übergeben.1 Kaiser Franz hatte wohl testamentarisch verfügt, daß alle in seinem Arbeitszimmer befindlichen Dienstschriften von seinen Papieren zu sondern und ihrer Bestimmung zu­zuführen seien; die Durchführung dieser Anordnung erfolgte aber nur in der oberwähnten Weise.1 2 In diesem Zustand verblieb das Archiv bis 1865; in diesem Jahre wußte Arneth, der schon 1862 von seinem Bestehen erfahren und es in der Folge zu wissenschaftlichen Zwecken hatte benützen dürfen, eine kaiserliche Ent­schließung zu erreichen, die ihn mit der Sichtung des Archivs und der Er­stattung von Vorschlägen über seine weitere Verwendung betraute. Arneth beließ das Archiv leider nicht im überlieferten Zustand, sondern zerlegte es in zehn Gruppen, deren Überweisung an ebenso viele Stellen er beantragte. Am 8. November genehmigte der Kaiser die Anträge Arneths, die eine Zer­trümmerung des Archivs bedeuteten.3 Der größte und wertvollste Teil, mehr als 700 Faszikel, wurde dem StA. übergeben; er enthielt die auf das Kaiserhaus und seine einzelnen Glieder, auf die auswärtigen Angelegen­heiten und auf wichtige Phasen im Staatsleben bezüglichen Schriftstücke sowie alle Ungarn betreffenden Akten. Dem Staatsratsarchive wurden alle Akten zugewiesen, welche die innere Organisation des Staates, die ständi­schen und die Verwaltungsangelegenheiten der österreichischen Provinzen 1 Bericht Khloybers an Erzherzog Leopold 10. Juli 1865, Kriegsarchiv Wien, General- adjutantur 15—3/1 aus 1865. Dieser ist hinsichtlich des Inhaltes der Gruppen zu berichtigen durch Reg. des StA. Z. 255/1865 und AB. 310. Eine eingehendere Kennzeichnung gibt Khloyber nur bei der zweiten Gruppe, die nach ihm „Vorschläge, Meinungen, Projekte verschiedener hoher Staatsbeamten, Landtagsberichte, Rechnungen, allerlei Statistiken, Visitationsberichte der Bischöfe etc. etc.“ enthielt. 3 Punkt 16 des Testamentes 1. März 1835, Original Familienurkunden. 3 Arneth, Aus meinem Leben 2. Bd., S. 245, 248, 256L; Kriegsarchiv Wien, General- adjutantur 15—3/1 aus 1865, Reg. des StA. Z. 255/1865; auf diesen Akten, welche genaue Verzeichnisse enthalten, und AB. 310 beruht die folgende Darstellung. Arneth war die Tatsache, daß er das Handarchiv des Kaisers Franz vor sich hatte, unbekannt; da das Arbeitszimmer des Kaisers an die Räume seiner Privatbibliothek grenzte, die, vom Kaiser testamentarisch als Primogenitur-Fideikommiß errichtet, später den Namen Fideikommiß- bibliothek (seit 1921 Porträtsammlung der Nationalbibliothek) führte, war Arneth der irrigen Meinung, daß diese archivalischen Bestände, obgleich nicht durch die Fideikommiß- urkunde vom 24. Aug. 1849 erfaßt, der Bibliothek zugehörten. Zu deren Geschichte siehe W. Beetz in Festschrift zur Gesch. der Nationalbibl., Wien 1926, S. 59 ff. und unten S. 37.

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