Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Sonstige Sammlungen von Archivalien verschiedener Herkunft von Lothar Gross

In der diplomatischen Korrespondenz spielen in der älteren Zeit ebenso wie in der jüngeren Vergangenheit neben den offiziellen Berichten und Weisungen die in Form von Privatbriefen gekleideten Mitteilungen eine große Rolle, inhaltlich stehen sie jenen keineswegs nach, übertreffen sie vielfach an Bedeutung. Serien von derartigen Briefen sind nun auch in den Registraturen der beiden großen Kanzleien, die die Hauptmasse zum Be­stände unseres Archivs beigesteuert haben, der Reichshofkanzlei und der Staatskanzlei, verwahrt worden, in erster Linie solche der leitenden Mini­ster. Es fanden sich hier aber auch, wie wir schon oben auszuführen Ge­legenheit hatten,1 viele Papiere und ganze Registraturen von Gesandtschaf­ten und einzelnen Missionen vor, da im 18. Jahrhundert die Gesandten die während ihrer amtlichen Tätigkeit entstandenen Korrespondenzen verhält­nismäßig häufig und gewissenhaft an die Amtsstellen abgeliefert zu haben scheinen. Derartige Bestände bilden nun im wesentlichen den Inhalt der Großen Korrespondenz, doch wurde bei der Bildung der Abteilung durch­aus nicht systematisch vorgegangen, da sich ganz analoges Material auch in der Ministerialkorrespondenz (o. S. 353) vorfindet. Name und heutiger Umfang der Abteilung sind relativ jungen Datums. Meines Wissens kommt der Name „Große Korrespondenz“ zum erstenmal 1862 vor, da von der Bearbeitung der „sogenannten Großen Korrespondenz“ durch Klinkow- ström die Rede ist. Vorher wird meist von einer „Korrespondenzabteilung“ und von „Korrespondenzsammlungen“ gesprochen. In den Verzeichnissen der aus Paris zurückgebrachten Archive tauchen bereits verschiedene Serien von Korrespondenzen auf, die heute Bestandteile der Großen Korrespon­denz sind, so die Korrespondenzen des Reichsvizekanzlers Grafen Rudolf Colloredo, des Staatskanzlers Fürsten W. A. Kaunitz, namhafte Teile der Kor­respondenz Prinz Eugens (26 Bände und 9 Bände Konzepte), besonders auch seine Korrespondenz mit Graf Friedrich Seckendorf, wie auch die Kor­respondenz des Kardinals Franz Dietrichstein, die bis 1923 der Abteilung angehörte und damals an die Tschechoslowakei ausgeliefert wurde; auch Lettres de Cobenzl werden bereits erwähnt, unter denen vielleicht die um­fangreiche Korrespondenz des Grafen Karl Cobenzl gemeint sein kann. Was die Provenienz dieser Korrespondenzen betrifft, läßt sich zumeist aus den Namen schließen, ob sie aus dem Reichsarchiv oder der alten Registra­tur der Staatskanzlei oder unmittelbar aus dem Nachlaß der betreffenden Staatsmänner stammten. Aus der Staatskanzlei scheinen vor allem die Eugen- schen Korrespondenzen gekommen zu sein, da Knechtl die Möglichkeit ihrer Ablieferung an die Staatskanzlei vermerkte. Er hat dann auch als erster alle diese Korrespondenzen geordnet und im Repertorium A (AB. 105) Große Korrespondenz. 1 Vgl. S. 330 f.

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