Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Reichsarchive von Lothar Gross
Keichshofrat. 293 Mit der Übergabe der Reichshofratsregistraturen an die Direktion des StA. wurde in bezug auf allfällige, noch einlaufende Aktenanforderungen verfügt, daß die Auslieferung von Akten in Hinkunft nicht mehr als ein Recht beansprucht werden könne, da die Frist zur Anforderung längst verstrichen sei, sondern daß derlei Ansuchen nunmehr vom Ministerium des Äußern nach vorheriger Begutachtung durch die Archivdirektion lediglich nach Maßgabe der vorwaltenden Rücksichten zu erledigen seien. Die Archivdirektion erhielt den Auftrag, die Registraturen zu verzeichnen und Kalkhoff, den man offenbar schonen wollte und daher in seiner Stellung beließ, einen Beamten des Archivs zu diesem Zweck zuzuteilen. Kalkhoff erhielt den Auftrag, stets im Einvernehmen mit der Archivdirektion vorzugehen. Er diente nur mehr wenige Jahre. Nach einem Konflikt mit Matthias Nowotny, den er grundlos einer in einer Adelssache begangenen Fälschung bezichtigte, wurde er, nachdem sich bei der vom Archivdirektor Erb geführten Untersuchung nicht nur Nowotnys Unschuld ergeben hatte, sondern auch allerlei von Kalkhoff begangene Unregelmäßigkeiten an den Tag gekommen waren, 1851 in den Ruhestand versetzt. In der Aufbewahrung der Reichshofratsakten, in der der Archivdirektion auch ausdrücklich freie Hand gelassen wurde, trat keine Änderung ein. Das äußere Schicksal des Reichshofratsarchivs in der Filiale A und seine verschiedenen Wanderungen wurden bereits geschildert. Lediglich die Reichsregisterbücher wurden sofort in das Hauptarchiv gebracht. Der Übergang der Reichshofratsregistraturen an das StA. war für dieselben insofern sehr vorteilhaft, als jetzt wenigstens den allzu schrankenlosen Extraditionen ein Ziel gesetzt ward. Schon 1847 hatte die Archivdirektion Gelegenheit genommen, bei der für Baden vorbereiteten Aktenauslieferung einzugreifen und unwiederbringlichen Schaden verhütet. Der Vizedirektor des Archivs Jos. Chmel hatte damals eine Durchsicht der zur Auslieferung bestimmten Akten der Reichshofratsregistraturen vorgenommen. Er gab jetzt auch sein Gutachten über die zunächst zu ergreifenden Maßnahmen ab. Der Archivoffizial Andreas v. Meiller wurde mit dem Dienst in der Reichshofratsregistratur betraut. Er kam gerade zurecht, um eine von Kalkhoff leichtfertig zugestandene, ganz ungerechtfertigte Auslieferung von verschiedenen Gratial- beständen an das Adelsarchiv des Ministeriums des Innern zu verhindern und beschränkte die Auslieferung der Weisung des Ministeriums gemäß auf sechs aus den Miscellanea zusammengestellte Faszikel mit Adelssachen. Am 12. Febr. 1851 erstattete Meiller einen ausführlichen Bericht über die bisher von ihm im Reichshofratsarchiv durchgeführten Arbeiten und machte eingehende Vorschläge, wie in Hinkunft das Reichshofratsarchiv neugeordnet werden sollte. Sein Bericht enthält als Beilage eine Übersicht über den damaligen Bestand, der in 71 Unterabteilungen gegliedert war und insgesamt nach Meillers Angabe nahezu 10.000 sehr starke Faszikel umfaßte. Meiller betrachtete die Gliederung der Reichshofratsregistratur in so viele Unterabteilungen als unzweckmäßig und wollte eine möglichst weitgehende Verschmelzung und Vereinigung derselben innerhalb von drei Hauptkörpern, Judizial-, Lehen- und Gratialregistratur, anstreben. Mit Recht bemängelte er, daß nicht weniger als sieben verschie-