Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Reichsarchive von Lothar Gross

288 Reichsarchive. Aktenauslieferung, daß jenen Regierungen oder Behörden, welche nach Auflösung des Reichsverbandes an die Stelle des vormaligen Reichshof­rates als höchsten Reichsgerichtes oder als Reichslehenhofes getreten waren, auf Anmeldung nach sorgfältiger Prüfung der Ansprüche die an­geforderten Akten zu verabfolgen seien.1 Privatparteien wurden im all­gemeinen keine Originalakten ausgefolgt. Bereits wenige Jahre nach der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit hatte die Kommission eine Krise durch­zumachen, in der schon in gewissem Sinne ihr Fortbestand auf dem Spiele stand. Den Anstoß dazu gab zweifellos die Frage, bis zu welchem Termine Aktenanforderungen nachzukommen sei und ob nicht gewisse Akten, auf die keine Ansprüche geltend gemacht werden, zu vernichten seien. Sie war durch Erwägungen, die auf die größtmögliche Sparsamkeit abzielten und die Kosten der Aufbewahrung herabsetzen wollten, aufgerollt worden. Schon 1821 erhielt die Kommission vom Kaiser den Auftrag, ihr Gut­achten darüber abzugeben, „welche von den reichshofrätlichen Akten schon jetzt vielleicht als ganz unnütz vertilgt werden könnten und was zu ver­anlassen wäre, um, ohne den Rechten der Parteien zu nahe zu treten, die Last ihrer Bewahrung nicht länger, als unumgänglich nötig ist, zu tragen“.1 2 Der Auftrag wurde ohne Zweifel veranlaßt durch die Beschlüsse, die die deutsche Bundesversammlung 1821 über das Archiv des Reichskammer­gerichtes in Wetzlar gefaßt hatte3 und die vorsahen, daß gewisse Akten des Reichskammergerichtes, die nach dem Dafürhalten der zur Aufsicht des Reichskammergerichtsarchivs eingesetzten Kommission nicht aufbe­wahrt werden müßten, schon jetzt zur endgültigen Vernichtung ausge­schieden werden sollten. Auch war in diesen Beschlüssen eine Frist von 20 Jahren für die ganze Auseinandersetzung vorgesehen. Die reichshof- rätliche Aktenkommission sprach sich in ihrem Vortrag vom 31. Aug. 1821 gegen jede Ausscheidung von Akten zwecks späterer Vernichtung aus, einesteils, weil sie es für technisch undurchführbar erklärte, die nicht mehr benötigten Akten in absehbarer Zeit mit dem vorhandenen Personal herauszusuchen, und anderenteils, weil sie der Überzeugung war, daß der Großteil der Akten, besonders die Gratial- und Lehensregistratur, wegen ihrer rechtlichen Bedeutung überhaupt nicht vernichtet werden dürfe. Fürst Metternich schloß sich in seinem Vortrag vom 27. Dez. 1821 diesem Gutachten vollinhaltlich an4 und so wurde diese Gefahr abgewendet. Den unmittelbar darauf gefaßten Gedanken, die reichshofrätlichen Registra­turen der deutschen Bundesversammlung unterzuordnen und auf diese Weise die Sorge für ihre Verwaltung von sich abzuwälzen,5 ließ Kaiser Franz ebenfalls fallen, als der um seine Meinung befragte österreichische Bundestagsgesandte Graf Joachim Eduard Münch darlegte, daß das Kam­1 Vgl. Note der Kommission an die Staatskanzlei vom 14. März 1831 in StK. Archiv Fasz. 12. 2 Vortrag der Kommission an den Kaiser vom 31. Aug. 1821 in Reichshofrätl. Hof­kommission Fasz. 41 (1821, Nr. 8). 3 Protokoll der deutschen Bundestagsversammlung vom 25. Jan. 1821. * StK. Vorträge Fasz. 335. 5 Vgl. darüber die Vorträge Metternichs vom 6. Febr. 1822 (Vorträge Fasz. 336) und 19. Mai 1834 (StK. Archiv Fasz. 12).

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