Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Reichsarchive von Lothar Gross

Reichshofrat und Reichshofkanzlei. 277 liehen Judicial- und den in der Reichslehn- und Gratialregistratur auf­bewahrten Acten, dann zur reichshofräthlichen Depositen-Casse verordnete Hofcommission“ mit Öttingen an der Spitze ins Leben trat, wie auch die Übernahme der Registratura publicorum und des Reichsarchivs durch das Hausarchiv.1 Es wurde somit eine Teilung der Registraturen der Reichs­hofkanzlei zwischen Hausarchiv und reichshofrätlicher Aktenkommission verfügt, die bis zur tatsächlichen Auflösung dieser Kommission im Jahre 1840 und noch darüber hinaus bis 1849 aufrecht blieb. Während die bereits wiederholt genannten, in den Wirkungskreis des Reichshofrates fallenden Registraturen nun zunächst an ihrem alten Aufbewahrungsorte unter Verwaltung des bisherigen Reichskanzleiregistrators Nikolaus von Wolf und der bisherigen Registranten Franz Popp und Franz Winterheld ver­blieben, erfolgte am 11. Aug. 1807 die Übergabe des Archivs der Reichs­kanzlei und am 16. Oktober die der Registratura actorum publicorum an das Hausarchiv.1 2 Während die Reichsurkunden (das Archiv) an der Hand des bereits erwähnten Verzeichnisses übergeben wurden, wird bei der Über­nahme der Registratura publicorum eines Verzeichnisses oder Repertoriums nicht Erwähnung getan. Es hat auch überhaupt kein derartiger Behelf existiert, da alle umfassenderen Repertorisierungsarbeiten an den politi­schen Beständen der Reichshofkanzlei in den Anfängen steckengeblieben zu sein scheinen.3 Da das Hausarchiv bereits damals unter großem Raum­mangel litt, wurden ihm, um die Aufnahme der Reichskanzleiakten über­haupt zu ermöglichen, zwei Räume der bisherigen Reichskanzlei, die dem Hausarchiv unmittelbar benachbart waren, zugewiesen. So schien es nun, als ob das alte Reichsarchiv im Rahmen des österr. StA. eine sichere Zufluchtsstätte gefunden hätte.4 Allein das böse Geschick, das durch die ganzen Jahrhunderte des alten Reiches das Archiv verfolgt hatte,5 ließ es auch jetzt noch nicht zur Ruhe kommen. Auch das deutsche Reichsarchiv wurde gleich anderen großen Archiven ein Opfer des ebenso phantasti­schen wie barbarischen Planes Napoleons I., in Paris ein europäisches Zentralarchiv zu schaffen. Als die Franzosen 1809 in Österreich vordran­gen, wurde ein Teil der Wiener Archive, darunter auch der größte Teil des alten Bestandes des StA., im Mai dieses Jahres auf dem Wasserwege nach Temesvár geflüchtet. Das Archiv der Reichshofkanzlei jedoch blieb mit Ausnahme der Reichsurkunden in Wien zurück, ebenso auch die von der reichshofrätlichen Aktenkommission verwalteten Bestände. Nachdem die Franzosen Wien am 13. Mai besetzt hatten, schien es in den ersten Monaten, als ob sie die Archive der Reichshofkanzlei unberührt lassen 1 Reichskanzlei Verf.-Akten Fasz. 65. a Von Hormayr und Gassier unterfertigte Empfangsbestätigungen ebenda. s Vgl. darüber Groß a. a. 0. 293 f. und 301 if. 4 Der Registratursadjunkt der Staatskanzlei Johann B. Böhm erwähnt in einer Recht­fertigungsschrift (StK. Personalia Fasz. 2), daß ihm ein Papiermüller bei der 1809 vor­genommenen Einstampfung von Staatskanzleiakten erzählt habe, er hätte auch von der Reichskanzlei eine große Aktenmasse zur Verstampfung erhalten. DerZeitpunkt ist nicht angegeben und es fehlen auch alle sonstigen Anhaltspunkte für eine derartige umfang­reiche Aktenvernichtung; die Nachricht ist somit wohl mit Vorsicht aufzunehmen. 5 Vgl. Groß 281 ff.

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