Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

162 Biographien. Wocher Paul, geb. 1815 als Sohn des fürstl. Esterházyschen Sekre­tärs W., widmete sich nach Absolvierung des Schottengymnasiums philo­sophisch-geschichtlichen und insbesondere juridisch-politischen Studien an der Wiener Universität mit vorzüglichem Erfolge. Auf Grund derselben und dank seiner englischen und französischen Sprachkenntnisse, die er auf einer mit Unterstützung des kaiserlichen Botschafters Fürsten Paul Ester­házy nach Paris und London unternommenen Reise noch vermehren konnte, bestand W. nach Meiller am besten die im Dezember 1841 mit den Bewer­bern um eine Archivpraktikantenstelle am StA. abgehaltene Prüfung und wurde im Januar 1842 als unbesoldeter Praktikant mit der bestimmten Aussicht auf Einrückung in eine wirkliche Anstellung dort aufgenommen. Diese Aussicht wurde bereits mit März 1843 durch Ernennung zum über­zähligen Archivpraktikanten verwirklicht1 und diese Stelle wiederum ein Jahr später systemisiert. Erst Januar 1846 erfolgte die Ernennung zum überzähligen Archivoffizial und endlich Mai 1851 der große Sprung in die erste Offizialstelle; der von Erb vorgeschlagene Archivartitel wurde jedoch nicht bewilligt. Die Stelle eines 3. Archivars wurde W. erst nach Kalten- baecks Abgang (Mai 1857), die zweite Archivarstelle nach dem Tode Firn­habers (November 1860) zuteil. Der kaiserliche Ratstitel (Mai 1868) und die damit verliehene Personalzulage (300 fl.) waren nur ein schwacher Ersatz für die durch die Auflassung des Vizedirektorpostens unterbliebene Vorrückung. Erst nach Meillers Tod zum ersten Archivar und Vertreter des Direktors bestellt, wurde W. zugleich mit dem Titel und Charakter eines Sektionsrates ausgezeichnet (Juli 1871) und diese Stelle mit 1873 in der 6. Rangsklasse systemisiert. W. erlag am 29. April 1877 einem krebsartigen Leiden.2 Wie bei Fiedler die slawischen Sprachkenntnisse das Arbeitsgebiet be­stimmten, so sind es bei W. die Kenntnisse im Italienischen, Französischen, Spanischen und Englischen, welche für die Verwendung W.s in der italieni­schen und belgischen Sektion des Archivs maßgebend waren. Hieher ge­hört (schon 1842) die Aufstellung des venezianischen Botschaftsarchivs Konstantinopel (unter Anleitung Firnhabers), die Übernahme der Archive der österreichischen Verwaltungsbehörden für die italienischen Provinzen von der k. k. vereinigten Hofkanzlei (1843) und die Verzeichnung und Ausscheidung eines größeren im Jahre 1845 aus dem Mailänder Archiv entlehnten, Montferrat und Mantua betreffenden Bestandes, die sich infolge der Heranziehung W.s zu anderen Arbeiten durch Jahre hinzog (1845 bis 1855). An solchen Arbeiten sind insbesondere zu nennen: die Evident­führung des Zuwachses an Staatsurkunden (1850 bis 1876, AB. 375, Mit­arbeit an den Zettelkatalogen AB. 499, 501 und 502, vgl. auch AB. 254), die Repertorisierung der 1851, 1858 und 1861 eingezogenen Staatskanzleiakten des 18. Jahrhunderts (bis 1806) in dem ausgezeichneten zweibändigen Reper­torium Z (AB. 183) samt Zettelkatalog (AB. 259) und im Zusammenhang da­1 Der unmittelbare Anlaß zur Ernennung war eine durch die Staatskanzlei für Prof. Kopp in Luzern vermittelte Abschriftnahme des Archivverzeichnisses von Schloß Baden im Aar­gau durch Wocher (Hs. Böhm 450). * Wiener Zeitung 1877, n. 104.

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