Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Erster Abschnitt. § 1. 25* seine Vorgesetzte Behörde, die Staatskanzlei, hatte Chmel, der als erfahrener Geschichtsforscher über die tatsächliche Verteilung des staatlichen Archiv­besitzes auf die einzelnen Lagerstätten in Wien und in den Ländern gut unterrichtet war, mit Recht festgestellt, daß das bisher Erreichte nur schöne Ansätze darstelle, da „die consequente Durchführung dieses Planes1 bisher noch nicht gelungen, ja die Aussicht nicht einmal vorhanden“ sei, „den­selben je ganz zu realisieren“. Chmel hatte ganz richtig erkannt, daß der Aufschwung der heimatgeschichtlichen Forschung in den Ländern1 2 der Zentralisierung dér Archivbestände im StA. entgegenwirken mußte. Als Auskunftsmittel schlägt er die Durchführung einer Inventarisierung der in den Ländern befindlichen Archivalien durch das StA. vor. Am 13. August 1849 stellt sich Chmel auf den Standpunkt der Dezentralisierung durch Schaffung von Staatsarchiven in den einzelnen Ländern nach preußischem Muster mit einem „Centralarchiv“ in Wien als „Pflanzschule und Seele“. Die wiederholten Zurücksetzungen, die Chmel erdulden mußte, haben die Spannkraft des verdienten Mannes geschwächt, so daß er seine Pläne nicht mit der nötigen Energie vertrat, wozu ihm, dem gezwungenermaßen immer an zweiter Stelle stehenden, wohl auch die Möglichkeit fehlte. Sein Direktor Erb nimmt in Eingaben von 1851, 1852 und 1853 zwar seine Gedanken auf, es fehlte ihm aber wieder an wissenschaftlichem Ansehen, um ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu kam, daß die neuen Männer im Ministerium des Äußern, das 1848 an die Stelle der Staatskanzlei getreten war, dem StA. in der Frage der Zentralisierung nicht mehr ihre Unterstützung ange­deihen ließen, wie es Metternich und sein zuständiger Referent, Franz Frei­herr von Lebzeltern, immer getan hatten. Der neue Referent, Franz Freiherr von Menßhengen, hegte eine durch Unkenntnis noch verschärfte geringe Einschätzung der Archive, stand außerdem persönlich mit Erb nicht gut. Die scharfe Kompetenzscheidung, welche seit 1848 den Aufgabenkreis der einzelnen Ministerien genau begrenzte, hatte zur Folge, daß das Ministerium des Äußern sich nur ungern in Fragen der inneren Verwaltung einmischte und dieses Feld dem Ministerium des Innern, an dessen Spitze ein Mann von der Arbeitsenergie Alexander Bachs stand, überließ. Es sei hier gleich, das weitere Geschehen vorwegnehmend, festgestellt, daß dies für die Entwick­lung des österreichischen Archivwesens kein Glück war. Denn das Ministe­rium des Innern vernachlässigte nach diesem und einem weiteren Anlauf von 18693 das Archivwesen in den weiteren Jahrzehnten fast völlig. Wäh­rend das StA. seit seiner Gründung als wissenschaftliche Anstalt anerkannt worden war, was auch in der Gleichstellung seines Leiters mit einem Hofrat einer Zentralstelle, also mit den damals auf der zweithöchsten Stufe der 1 Das StA. zu einem Zentralinstitut auszugestalten. 2 Vgl. hierüber L. Groß in Archival. Zeitschr. 42./43. Bd., S. 163 ff. und J. Ziber- mayr a. a. 0. S. 117 ff. 3 1869 veranstaltete das Ministerium des Innern eine fachmännische Beratung (Enquete) über die Neueinrichtung des Archivwesens. Vgl. Karl Rieger, Mitteilungen aus den Akten des k. k. Ministeriums des Innern bezüglich einer Reorganisation des österr. Archivwesens, Wien 1881, Bretholz in: M. ö. I. G. 11. Erg.-Bd., S. 796, L. Groß in: Archival. Zeitschr. 42./43. Bd., S. 169 ff.

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