J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 17. Deckadressen

wird aber in diesem Falle doch wohl das privatfiskalische Motiv der Porto­ersparnis gewesen sein. Größeres Raffinement verriet Graf Caulaincourt, Napoleons letzter Außenminister, mit dem Versuche, seine Briefe mit Hilfe nichtssagender Siegelaufdrücke der Aufmerksamkeit der österreichischen Post­logen zu entziehen1). Ganze Arbeit hat zu Anfang der Vierzigerjahre die englische Regierung geleistet: sie ließ ihre über Triest laufende ostindische Post (S. 117) — gewiß auch aus seetechnischen Gründen — in metallene Büchsen einlöten. So großzügig konnte der österreichische Staatsbürger nicht zu Werke gehen. Ihm mußte es schon genügen, wenn es ihm gelang, den Postlogen aus­zuweichen, wobei die kleineren Postämter in deren Umgebung zu unerwarteter Bedeutung gelangten. Deutsche Bankhäuser pflegten um 1840 ihre nadi Wien bestimmten Korrespondenzen an ein Postamt im Weichbilde der Stadt zu adressieren; von dort wurden sie dann insgeheim nach Wien gebracht2). Für Graz spielte Straß (bei Leibnitz) eine ähnliche Rolle. Andere Korrespondenten ließen, um ganz sicher zu gehen, ihre Briefe durch private Gelegenheiten in die Nachbarprovinz bringen und erst dort zur Post geben. Vorsichtiger noch war ein polnischer Emigrant in Paris: er beschrieb nach alterprobter, schon 1797 angepriesener Methode (S. 5) die Innenseite des Briefumschlages3). 17, Deckadressen. Einer besonderen Beliebtheit erfreute sich die Verwendung von Deck­adressen, ein schon im 18. Jahrhundert, besonders aber im Zeitalter Napoleons allenthalben benütztes Hilfsmittel. Man barg den verschlossenen und adres­sierten Brief in einen zweiten Umschlag und setzte auf diesen den Namen eines den Postlogisten unverdächtigen Empfängers, etwa eines Handlungs­hauses oder dgl. Entsprechend einer ihm schon vorher meist auf lange Sicht insgeheim zugekommenen Verständigung leitete dann dieser Zwischenempfän­ger den eingeschlossenen Brief uneröffnet an seinen wahren Adressaten weiter. Zuweilen behob ihn dieser auch unmittelbar beim Postamte, indem er sich zu diesem Zwecke für den Träger des in diesem Falle wohl meist fingierten Namens der Deckadresse ausgab. Waren Briefe dieser Art für eine inländische Behörde, meist die Staatskanzlei, bestimmt, dann erhielten sie als Deckadresse vielfach die eines Inlandpostamtes, das zur Weiterleitung des Einschlusses angewiesen war. Nicht selten wurden in solchen Fällen dem Empfangspost­amte genau bekannte Deckadressen gewählt, die sich auf ganz bestimmte staat­liche Funktionäre bezogen, mithin gewissermaßen postalische Pseudonyme derselben vorstellten. Der Zweck dieser Deckadressen war meist der der Be­hütung des eingeschlossenen Briefes vor unbefugten Lesern. In anderen Fäl­len handelte es sich lediglich darum, den Brief vermöge des Hilfsmittels der Deckadresse einer dem Absender erwünschteren — meist kürzeren und rasche­ren — Postroute zuzuführen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren diese Deckadressen in Deutsch­land ebenso in Gebrauch wie in der Schweiz und in Toskana. Die Wiener Handelshäuser Arnstein, Fries und andere deckten mit ihren Adressen tür­*) Interzept 15 IV 4 Interzepte 12. 2) Vortrag (Anm. 16 S. 14). 3) Interzepte 34 V 10, 39 VII 4 Frankreich Varia 128, Interzepte 39. 37

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