J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 2. Auf- und Abgabe der Briefe

und Postabgang liegenden Zeiträume, in denen die Postlogisten — gedrängt und gehetzt — ihres Amtes walteten. Je früher die Postkurse eintrafen und je früher die Aufgabeschalter der Briefpost geschlossen wurden, um so mehr Zeit gewannen dadurch die Postlogen. Immer lebhafter machte sich daher in Wien das Bestreben geltend, das Beispiel der meisten europäischen Haupt­städte nachzuahmen und alle ankommenden und zur Aufgabe gelangenden Briefschaften grundsätzlich erst am nächsten Tag auszugeben oder abzusen­den 1). Andere Vorschläge gingen dahin, die Ankunfts- und Abgangszeiten der Briefposten auf die Nachtstunden zu verlegen2) und damit nicht nur jene, sondern auch die Arbeitsstunden der Postlogen in schützendes Dunkel zu hüllen3); audi konnten dann dieHofämter leichter als sonst am hellen Tage die ankommenden Briefschaften, die ihnen stets sogleida ausgefolgt werden mußten, unbemerkt in Empfang nehmen. In vier Folgen — so hat Cobelli die Tätigkeit der Geheimen Ziffernkanzlei geschildert — kamen dieser täglich die Poststücke zur Durchforschung zu. Um 7 Uhr früh die eingelangte Loko- post, die bis V210 Uhr abgefertigt sein mußte. Dann kamen die Transit­briefe, gegen 11 Uhr der Briefeinlauf der Polizeihofstelle und von 4 bis %7 Uhr abends der Briefauslauf des Tages an die Reihe. Der Handelsstand erhielt seine Korrespondenzen — nicht ohne viel Ärger und Verdruß — erst dann, wenn die Postlogen mit ihrer Arbeit zu Ende gekommen waren. Das kam — zumal bei der türkischen Transitpost, deren Durchforschung die Ge­heime Ziffernkanzlei alle zwei Wochen zu Höchstleistungen nötigte — der Staatskanzlei zugute, die dadurch in die Lage versetzt wurde, die nach Kon­stantinopel gehende diplomatische Korrespondenz der westlichen Höfe noch rasch durchzusehen und die eigenen Erlässe danach einzurichten, wodurch zuweilen — nicht immer ganz unbemerkt — Verspätungen bis zu 48 Stun­den entstanden4). Meist wußte man sie jedoch dadurch wieder auszugleichen, daß die zurückbehaltenen Briefschaften den übrigen, die inzwischen schon abgegangen waren, mit solcher Beschleunigung nachgeschickt wurden, daß sie sie noch auf ungarischem Boden einholten5). Die Wichtigkeit dieser Vor­sichtsmaßregeln für den Kredit des Postinstituts und die Wahrung des Logen­geheimnisses hat Metternich auch gegenüber Pralormo besonders betonen lassen. Im übrigen war er der keineswegs rückschrittlichen, wenn auch zu­meist nicht eingehaltenen Meinung, daß beim Postwesen weder die Staats­finanzen noch der Geheime Dienst, sondern der Vorteil des Publikums an erster Stelle zu stehen hätten6). Mit besonderer Sorgfalt wurden die Stafettenposten, die in dringenden amtlichen wie privaten Fällen jederzeit abgelassen werden konnten, der Durchforschung unterzogen7), selbst wenn die Logisten dazu geweckt werden mußten. Naturgemäß waren die dadurch verursachten Verspätungen der Stafettenposten besonders verhängnisvoll, weshalb auch deren Stundenpässe von niemand anderem als den befugten Postbeamten eingesehen werden durf- *) *) Note von Hofkammer 10 V 26 Notenwechsel 32. 2) W. Matthias, Posten und Postregale 2, 12 (Wien), 91 (Paris). 3) Note an Hofkammer 10 VI 14 Notenwechsel 16. 4) J. Hormayr, Kaiser Franz und Mett. 76 f.; Prokesch-Osten 1. c. 120. 5) Vortrag 11 XII 15 Vorträge 280; Note an Hofkammer 34 IX 5 Notenwechsel 38. 6) Vortrag 24 X 22 Vorträge 353; Bericht Cobellis 52 X 5 1. c. 7) A. Fournier, Gentz u. d. Geh. Kabinen (Hist. Studien u. Skizzen 3) 227 ff. 8

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