J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei - 5. Die Hilfsämter

ten in den Dreißigerjahren in den Kasematten der Löwelbastei, während die Archive des Reichshofrates, der sogenannten reichshofrätlichen Akten­kommission besonders unterstellt, seit dem Jahre 1816 im Laurenzer- gebäude auf dem Fleischmarkt verwahrt und erst nach Metternichs Abgang — als eine zweite Filiale — dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zugeteilt wurden. Seine Entstehung hatte dieses den Vereinigungs- und Vereinheit­lichungsbestrebungen Maria Theresias zu verdanken, in deren Auftrag der erste Archivar Taulow von Rosenthal um die Mitte des 18. Jahrhunderts die wichtigsten Bestände der Prager, Innsbrucker und Grazer Archive nach Wien brachte und hier zu einem der Staatskanzlei angegliederten zentralen Staatsarchive vereinigte 427). So wurde idieses, der Willensmeinung der Herrscherin entsprechend, zunächst als Urkundenarchiv eingerichtet, das die österreichischen und lothringischen Staats- und Hausurkunden und die wichtigsten böhmischen und ungarischen Staatsurkunden — diese seit Josef II. — umfaßte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schien sich der Bestand des Staatsarchivs ins Ungeheure auszudehnen. Der kaiserliche Archivar Gaßler führte ihm die Archive von Venedig, Trient und Brixen und neue Innsbrucker Bestände zu. Bald darauf wurden auch die Archive der belgi­schen Hofkanzlei, des Salzburger Erzstiftes und schließlich auch die des alten römisch-deutschen Reiches dem Staatsarchive zugewiesen. Kaum aber war Metternich an die Spitze der Staatskanzlei getreten, als der Wiener Friede vom Oktober 1809 große Teile dieser Zuwächse dem Staatsarchive wieder entfremdete. Sie mußten teils wieder ausgeliefert werden, teils wurden sie — so das deutsche Reichsarchiv — ohne staatsrechtliche Grund­lage nach Paris übertragen. Erst nach dem Sturze Napoleons ist dieses Archiv wieder nach Wien zurückgebracht worden, während andere, so namentlich die venezianischen Archivteile erst viel später oder gar nicht mehr ins Staatsarchiv zurückgelangt sind. In der Zwischenzeit sind — von 1811 an — nach dem Vorbilde der Gründungsepoche zahlreiche Urkunden aufgehobener Klöster Nieder- und Oberösterreichs, Steiermarks, Böhmens und Mährens in das Staatsarchiv gebracht worden. Ihnen reihten sich 1833 die Urkunden der ehemaligen Republik Ragusa an. In den Vierzigerjahren sind auch Teile der von den Franzosen zersprengten italienischen Archive (italienische Hofkanzlei und dalmatinisch-albanesische Hofstelle) ins Staats­archiv gebracht worden. Staatskanzleiardiivalien sind ihm — von einer ersten lückenhaften und systemlosen Einlieferung von 1829 abgesehen — erst zu Anfang der Fünfzigerjahre in reicherem Maße zugekommen. Als Metternich an die Spitze der Staatskanzlei trat, ließ die Organisie­rung des Staatsarchivs noch viel zu wünschen übrig. Es besaß wohl seit 1753 eine Art Instruktion, die 1779 ergänzt worden war. Auch kam während Metternichs Kanzlerschaft 1818 eine Benützungsordnung hinzu, die 1841 erweitert und 1842 um eine interne Dienstordnung des Archiv­direktors vermehrt wurde. Eine grundlegende, Wesen, Zweck und Dienst des Staatsarchivs umfassende Organisation aber ist dem Staatsarchive unter Metternich nicht zuteil geworden. Sein dienstlicher Charakter war der 427) G. Winter, Die Gründung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Arch. f. österr. Gesch. 92). 75

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