J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei - 3. Sonderreferate

Reiche, seltsamer gebildet als alle anderen — zu wenig bestellt schien, lud er Hurter als Hofrat und Historiographen insgeheim in kaiserliche Dienste* wies ihn an seine Person und übertrug ihm zugleich die Geschichte Kaiser Ferdinands II., die — wie Jarcke urteilte — „mit den gehässigsten Seiten­blicken auf heutige Verhältnisse in blühenden, aber unwahren Schilderungen als das Urbild finsterer Bigotterie dem Abscheu des Publikums preisgegeben war“ 272). Während aber Hurter unter hitzigen Kämpfen mit der öster­reichischen Zensur, die ihn — wie er sagte — zu einem „k. k. Reichsge- schichtsschweiger“ stempeln und hinter Schloß und Riegel legen wollte, an den ersten Bänden arbeitete, drängte ihn der Schweizer Sonderbundkrieg wieder auf das Feld der Gegenwartspolitik, der er durch Kundschafter­dienste, Zeitungsartikel 273) und Flüchtlingsfürsorge Rechnung trug. Das Jahr 1848 hat Hurter aus der Staatskanzlei verdrängt. Die aufgeregte Stim­mung jener Kreise, die ihm Einfluß auf die Geschäfte derselben zuschrieben, mußte beschwichtigt und Hurter mit einem einfachen Jahresgehalt seines Dienstes enthoben werden 274). Erst im Oktober 1849 ist ihm auf Werners Betreiben ein Ruhestandsgehalt zuteil geworden 275). Wie für Hurter hat sich Werner vier Jahre früher auch für den ungarischen Literaten Julian Chownitz, recte Chowanetz 276) eingesetzt, der sich 1838 als inaktiver Offizier der Journalistik zugewendet 277 *), 1839 seine Charge verloren und sich in Ulm als Herausgeber der Ulmer Schnellpost und als Gründer einer deutschkatholischen Gemeinde bemerkbar gemacht hatte. Dann hatte er in Leipzig Die Eisenbahn, in Mainz Das Rheinland redigiert und im Sep­tember 1843 seine Rückkehr zum Katholizismus vollzogen. Nun vermochte sich zwar Werners „großes psychologisches und sachliches Interesse“ an diesem merkwürdigen Konvertiten und dessen Anstellung im Polizeidienste nicht durchzusetzen 27S). Aber sein unvermittelter Übergang von der — allerdings nicht zustande gekommenen — Oppositionsschrift „Geschichte Ungarns unter österreichischer Herrschaft“ zur gegenteiligen über „Öster­reich und seine Gegner“ und seine Preisgabe der Geschichte der Ulmer deutschkatholischen Gemeinde führten dem unruhigen Manne, der von dem Plane eines konservativen, politisch-literarischen Tagblattes zu einer An­stellung bei der k. k. Staatseisenbahn hinüberwechselte, doch mehrfache Unterstützungen zu 279). Der bekannte theologische Schriftsteller Sebastian Brunner 28°) ist von Metternich während der letzten Jahre seiner Staats­kanzlerschaft als Sekretär herangezogen worden, dem er die Zusammen­stellung wöchentlicher Rapporte über die religiösen Bewegungen in Deutsch­land. und deren journalistische Bekämpfung übertrug, was — sehr zum 272) 45 VI 21 Vortrag F 4 Personalia 100; 46 I 7 Mett, an Hurter 1. c. 2'3) 47 XII 7 ff. Schweiz 327. 274) 48 V 7 Ministerratsprotokoll Kabinettsarchiv Separatprotokoll 1668/1848. 2'5) 49 VII 29 Species facti Werners Schweiz 320. 276) K. Glossy, Geheimberichte LXXII; 1, 182, 362; 2, 248; Anm. 6j. 2‘7) 45 IV 4 Biogr. Notizen Informationsbüro, Notenwechsel m. d. Polizei 13. 275) 4s X 16 Vorträge 444. 279) 45 XII 9 Eingabe Chowanetz’ Wissenschaft etc. 7. 28°) C. Wurzbach 1. c. 2, 176; Alig. Deutsche Biogr. 47, 299; J. M. Ritzen, Der junge Sebastian Brunner; O. Rommel, D. österr. Vormärz 17 f.; H. v. Srbik 1. c. 2, 234 f. 50

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