J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

V. Gentz und Metternich - 2. Metternich

von Plaß ausgezeichnet gesehen, worin aber sein Kollege Pilgram eine Herausforderung des Volkes — des wilden Stieres, dem man aus dem Wege gehen müsse — erblickte. Immerhin wurde Metternich in der Er­wartung entlassen, daß er dem Staate auch weiterhin nützliche Dienste werde leisten können 803). Kaiser Franz hat Metternidi mit warmer Anhänglichkeit gedient und sich seiner stets dankbar und voll Anerkennung erinnert 804). Er entwarf ihm die Trinksprüche diplomatischer Diners, die Antworten an die ungari­schen Stände, die Anrede an den russischen Gesandten Tatistscheff, die der Kaiser — wohl aus Schicklichkeitsgründen — selbst ins Reine schrieb, und beriet ihn auch bei den verschiedensten ihm angetragenen An­käufen 805). Vorträge, auf die es ihm besonders ankam, hat Metternich dem Kaiser persönlich überbracht. Handelte es sich um grundsätzliche Fragen, dann scheute er selbst vor der Verbesserung kaiserlicher Ver­fügungen nicht zurück. So stellte er z. B. 1817 in dem Entwürfe des Patents über die neue Steuerregulierung einige von Kaiser Franz durch­gestrichene Textstellen wieder her, da die Regierung seiner Meinung nach stets gut daran tat, die Beweggründe ihrer Handlungsweise rein und un­befangen auszusprechen. Es ist nicht genug — so fügte Metternich in dem sein Verfahren rechtfertigenden Vortrage hinzu —, daß das Volk fühle, daß der Monarch recht handle, sondern es muß den Schlechten bewiesen werden, daß der Monarch alle Rechtsgründe erforscht, geprüft und an­genommen habe 806). Mit nicht geringerer Selbstherrlichkeit hat sich Metternich zwei Jahre früher über einen ihm schriftlich erteilten aller­höchsten Auftrag hinweggesetzt: der Kaiser wünschte auf ein bestimmtes, nicht näher bekanntes Schreiben einen Beantwortungsentwurf zu er­halten, Metternich hat es aber „unbeantwortet den Akten beilegen“ lassen 807). Es kann nicht wundemehmen, daß sich über solchen Eigen­mächtigkeiten des Staatskanzlers zu Zeiten gewisse Spannungen zwischen Monarchen und Minister ergeben haben, die jener durch Liegenlassen der Vorträge desselben und durch eine, die ganze Staatskanzlei berührende Ungnade quittierte, die sich, wie schon erwähnt, unter Kolowrats Einfluß namentlich auf finanziellem Felde auf das empfindlichste ausgewirkt hat 808). Erst nach dem Tode des Kaisers Franz hat sich Metternich im Außenamte freier bewegen können. In Haus- und Familienangelegenheiten ist Metternich wiederholt als Haus- und Hofkanzler aufgetreten. 1811 entwarf er die den Gonzagas erteilte Genehmigung einer Gruft in der Stephanskirche, 1814 die Uniform der Hof- und Staatsbeamten 809), 1817 geleitete er als Übergabskommissär *M) 48 III 13 Mett.s Dienstresignation Minister Kolowratsakten 640/1848; 48 III 15 Mett, an Lebzeltern F 4 Personalia 148; 48 III 18 Billett an Mett. Kabinettsarchiv, Se­paratbillette 321/1848. Vgl. H. v. Srbik 1. c. 2, 275 ff. “•J H. v. S r b i k 1. c. i, 246 f. *“) 14 X 17, 26 II 9 Vorträge 289, 361; 28 V 22 paroles ä dire par S. M. Rußland. Korr. 16. 806) 17 XII 25 Vorträge 309. 13 VIII 6 Vorträge 293. 808) Aus dem Nachlasse d. Gr. Prokesch-Osten 1, 22. s0!)) ii VI 28 Note an Gonzaga Provinzen, Lomb.-Venezien 41; 14 IV 25 Billett an Mett. Interiora 107. 139

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