J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

V. Gentz und Metternich - 1. Gentz

hohen, nur fallweise erst berührten Politik verdrängt und auf das Feld der Finanzverwaltung, im besonderen des Papiergeldes, verwiesen 772). Mehrfach hat Gentz während dieser kritischen Jahre — zwar nicht ganz freiwillig, da ihn die auswärtige Politik nach wie vor am stärksten anzog — in Vorträgen und Vorschlägen dazu Stellung genommen. Auch in den Jahren 1816 und 1817 hat er auf Stadions ausdrücklichen Wunsch „allerlei Volontärdienste“ beim Finanzministerium geleistet. Später ist Gentz auf dem Gebiete der Staatsfinanzen nur wenig mehr hervorgetreten 773). Ihm wurde vielmehr „die seltene Bestimmung“ zuteil, auf sechs souve­ränen und zwei ministeriellen Kongressen — in Wien, Paris, Aachen, Karlsbad, Troppau, Laibach und Verona — die Feder zu führen. Auf dem Wiener Kongresse ernannten ihn die Minister per acclamationem zu ihrem ersten Sekretär, Wacken zum zweiten, während Metternich, von Wessen- berg unterstützt, das Präsidium innehatte. Als Sekretär fühlte sich Gentz in seiner „trippelnden Weisheit“ als eine Art Mittelsperson zwischen fünf bis sechs Ministern ersten Ranges 774). Seine Protokolle fanden lebhaften Bei­fall. Die Erklärung, mit der die Kongreßminister ihre Vollmachten bei der Staatskanzlei hinterlegten, hat Gentz zu Papier gebracht. Im deutschen Bundeskomitee und in der Flußschiffahrtskommission hat der hannoverani- sche Staatsrat Georg Martens das Protokoll geführt. Die Wiener Kongreß­akte (samt der deutschen Bundesverfassung) ist von Gentz entworfen worden. Auch die Drucklegung derselben hat er im Verein mit dem Kanzleidirektor Hoppé persönlich überwacht 775). Die Antwort, mit der Kaiser Franz 1814 die Huldigung einer Tiroler Abordnung erwiderte, hatte Gentz zum Verfasser 776). Auch in Paris führte Gentz im Herbst 1815 das Protokoll und hatte außerdem — „en triomphe brillant" — den zweiten Friedensschluß mit Frankreich sowie das Bündnis zwischen den vier alliier­ten Höfen zu entwerfen 777). In Aachen hat Gentz in aufreibender, nicht selten bis in die Morgenstunden währender Tätigkeit etwa sechzig Sitzungs­protokolle ausgearbeitet, dazu auch die Konventionen verfaßt 77S). In Karls­bad bewegte sich Gentz mit viel Erfolg auf dem Kriegspfade gegen die deutschen Universitäten, den er bald darauf auch gegen die Krakauer Hoch­schule beschritten hat. Die Wiener Ministerkonferenzen von 1819/20 sahen Gentz neuerdings einstimmig zum Protokollführer bestellt, der darin die Ergebnisse der Zusammentretungen aufzeichnete 779). In Troppau hatte er an Stelle des Protokolles ein Journal zu führen und es selbst zu unter­zeichnen; alles ging dort durch seine Hände 78°). Auch in Laibach und Verona hatte Gentz die Sitzungsprotokolle zu führen, dazu das Viermächte­abkommen vom November 1822 zu entwerfen781). 772) H. Eckardt 1. c. 1, 314; A. Beer, Finanzen 425 ff. 773) A. B e e r 1. c. 6j u. ö.; Briefwechsel zw. Gentz u. A. Müller 217; Aus dem Nach­laß Fr. V. Gentz 2, 283 ff.; G. Schlesier 1. c. 3, 280; 5, 32. 774) Briefwechsel zw. Gentz u. A. Müller 178. 775) 13 VI 13 Zirkular Kongreßakten 28; 16 I 16 Hoppé an Mett. Interiora 81. 77®) 1814 Antwort S. M. Provinzen, Tirol 12. 777) L. Assin g 1. c. i, 408, 415, 419. 77S) Briefwechsel zw. Gentz u. A. Müller 268. 77B) L. A s s i n g 1. c. 2, 369. 78°) Aus dem Nachlaß Fr. v. Gentz 1, 62 f. 781) L. A s s i n g 1. c. 2, 384; 3, no; Briefwechsel zw. Gentz u. A. Müller 363 ff. 135

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