J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 3. Materielle Verhältnisse

staatlicher Natur und sind daher gleich den Widmungen, die den Staats­kanzleibeamten beim Abschlüsse von Ehepakten in Gulden — nicht in Dukaten — aus der Staatskasse zuteil wurden, besser als Gratifikationen zu bezeichnen. Solange die Staatskanzlei mit runden Geldsummen versehen wurde, erübrigte sich jährlich leicht ein entsprechender Restbetrag, der an die Beamten ausgeteilt zu werden pflegte 703), um sie dadurch vor Geld­verlegenheiten zu bewahren, die dem einzelnen wie dem Amte gefährlich werden konnten. Ihnen in unverschuldeten Notfällen auszuhelfen, lag, wie Metternich anerkannte, im Interesse des Dienstes. Mit der Festsetzung der Jahresdotation fand dieser Brauch ein Ende. Im selben Sinne trat Kaiser Franz im Krisenjahre 1811 dem Irrwahne entgegen, als ob die Beamten für jede noch so geringfügige außergewöhnliche Dienstleistung Auszeichnungen und Remunerationen beanspruchen könnten. Diesen Tadel hat Metternich für die Staatskanzleibeamten, die ihr Leben fast ausschließlich im Amte zubraditen und deren Gemeingeist beispielgebend war, weit von sich ge­wiesen 704). Gratifikationen aber hat er ihnen nach wie vor in reichem Maße zukommen lassen, nicht regelmäßig allerdings und, um Beispielsfolgerungen und Bloßstellungen zu vermeiden, vielfach aus den geheimen, der Kontrolle der Staatsbuchhaltung entrückten Geldern. Überaus mannigfach waren die Anlässe dieser Zuwendungen und den persönlichen Bedürfnissen des ein­zelnen so verständnisvoll angepaßt, daß die Staatskanzleibeamten auch in außerordentlichen Fällen auf das Wohlwollen und die Bereitwilligkeit ihres Chefs zählen konnten. Die Preissteigerungen, die der Wiener Kongreß ver­ursachte, lösten eine allgemeine Teuerungszulage aus70B). Der Dienst am Feldhoflager des Kaisers brachte die Anweisung von Anschaffungsbeiträgen mit sich. Die Arbeitsvermehrung, die Metternichs sommerliche Landauf­enthalte in den Expediten verursachten, wurde durch größere Zuwendungen ausgeglichen. Kur-, Krankheits- und Leichenkosten wurden — selbst wenn es sich um Familienangehörige handelte — im Gratifikationswege beglichen. Der eine erhielt den Zins, der andere seinen Brennholzbedarf, ein dritter die Kosten der Heiratsausstattung seiner Tochter oder des Studiums seines Sohnes, ein anderer die seiner ungarischen Sprachstunden ganz oder teil­weise ersetzt. In manchen Fällen wurden diese — allerdings ohne Erfolg — auch für Seitenverwandte, Schwäger und Schwägerinnen, Neffen und Nichten, in Anspruch genommen, die in keinerlei Beziehung zur Staats­kanzlei standen. Aber auch den Staatskanzleibeamten selbst standen diese Gratifikationen nicht gleichmäßig zur Verfügung und Ignaz Beidtel 706) mag in diesem Zusammenhänge nicht mit Unrecht von Protektionskindern sprechen, denen selbst Bade- und Familiensubventionen gewährt worden sind. Wohl nicht Gratifikationen im strengsten Sinne, doch aber Sonderein­nahmen ähnlicher Art waren die Nebenbezüge, die den Staatskanzlei­beamten unter verschiedenen Titeln zugeflossen sind. So waren die Stellen des Schatzmeisters und des Greffiers des Maria Theresienordens mit der Staatskanzlei verbunden und den älteren Beamten derselben übertragen, die 70S) 09 XII 22 Vorträge 270. 704) ii III 15 Billett an Mett.; 11 III 17 Vortrag Metts Vorträge 277. 705) 14 XII 13 Billett an Polizei Personalia 8 (Hormayr). 708) Gesch. d. österr. Staatsverw. 2, 354. 124

Next

/
Thumbnails
Contents