J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

II. Die Reiseabteilungen der Staatskanzlei

II. Die Reiseabteilungen der Staatskanzlei. Der Annehmlichkeiten eines so prächtigen und so verschwenderisch instandgehaltenen Kanzleigebäudes haben sich Metternich und seine Beamten nur in ruhigen Zeiten ungestört erfreuen können. Zunächst befand sich die Staatskanzlei, als Kaiser Franz Metternich am 7. Oktober 1809 zum Chef derselben bestellte, auf vier verschiedene Örtlichkeiten verteilt, wie sie eben gleich den Hofstellen vor den anrückenden Franzosen hatte die Flucht ergreifen müssen. Einige Offiziale waren samt dem Registraturs­adjunkten Karl Kesaer in Wien zurückgeblieben, denen sich mit dem Ab­schlüsse des Schönbrunner Friedens Hofrat Radermacher und die Hof­sekretäre Wacken und Eberhard Perin — jener als Zensor der nun wieder unter dem Doppeladler erscheinenden „Wiener Zeitung“, diese als Mit­glieder der österreichischen Liquidierungshofkommission unter dem Oberst­kämmerer Grafen Wrbna — zugesellten. Archiv und Registratur befanden sich unter der Aufsicht des Staatskanzleirates Swieteczky, der damals seinen einzigen Sohn durch das Banatfieber verlor, und des Archivars Knechtl in Temesvár, während sich der Archivdirektor Freiherr von Hormayr in Ofen aufhielt, woselbst das Archiv auf dem Rückwege noch bis in das Jahr 1810 hinein verblieben ist. Dort lag auch zugleich mit den Hofstellen eine kleine Staatskanzleiabteilung unter der Leitung des Hofsekretärs Dombay. Hier blieb mit dem Archive der größte Teil der von Temesvár herangeholten Registraturen bis 1810 zurück. Metternich selbst befand sich mit Hofrat Hudelist, den Hofsekretären Baron Krufft und Lebzeltern und einigen anderen Beamten am allerhöchsten Hoflager im ungarischen Schlosse Totis. Im November 1809 verlegte Metternich seine Staatskanzleiabteilung nach Ofen und kehrte noch Ende des Monats über Preßburg, das seinen Beamten nach so viel Entbehrungen wie eine Weltstadt gleich Paris oder London erschienen ist, nach Wien zurück. Zur selben Zeit hielt dort Kaiser Franz seinen Einzug und, damit ihn seine getreuen Wiener — wie er selbst schrieb — recht sehen konnten, einen Kirchgang nach St. Stephan1T). Am 2i. November hatte Radermacher das Archiv-, am 23. das Staatskanzlei­gebäude begangen und nachdem die Verwüstungen, die er dabei festgestellt hatte, nach Möglichkeit beseitigt waren — Tische und Schränke waren entleert, die Amtsbibliothek auf dem Boden verstreut, die alte Registratur ausgeräumt, die eiserne Tür gesprengt17 18) —, konnte die Staatskanzlei am 15. Dezember ihre Tätigkeit in Wien wieder aufnehmen. 17) 09 XI 26 Billett an Wrbna Frankreich, Varia 74; C. Pichler, Denkwürdig­keiten 2, 174 f. ,8) 09 XI 23 Bericht Radermachers Frankreich, Varia 75. 11

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