Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 3. Die Reichskanzlei im Kampfe mit der österreichischen Hofkanzlei bis zum Rücktritt des Reichs Vizekanzlers Schönborn
wort des Kaisers, der sein Vorgehen mit der Notwendigkeit, die drei für die Reichsverwaltung wichtigsten Ämter des Reichsvizekanzlers, Reichshofratspräsidenten und Reichshofratsvizepräsidenten zugleich und ohne Verzug besetzen zu müssen, entschuldigte und seiner Hoffnung auf die Zustimmung des Erzkanzlers Ausdruck gab. Diese erfolgte auch am 4. Januar 1638 in dem Sinne, daß Anselm Kasimir aus dem kaiserlichen Schreiben herauslas, daß die Ernennung des Grafen Kurz nur als eine eventuale, unter Vorbehalt der erzkanzlerischen Zustimmung erfolgt sei143). Damit erschien der Konflikt, wenigstens vorläufig, beigelegt. Wenig erfreulich gestaltete sich auch weiterhin für den Erzkanzler das Verhältnis zur österreichischen Hofkanzlei, das alsbald auch die Reichsstände beschäftigen sollte. Schon 1641 befaßte sich das große Reichsgutachten, das hauptsächlich die Verbesserung des Reichsjustizwesens anbahnen sollte, auch mit der Reichskanzlei. Man bemängelte die Unordnung, die im Geschäftsgang eingerissen war und die mangelnde Verschwiegenheit der Beamten. Gleichzeitig trat das Reichsgutachten auch für die dem Erzkanzler in der Wahlkapitulation eingeräumten Rechte über das Reichstaxamt ein und wandte sich mit Nachdruck gegen die Bestreitung der Reise- und Transportkosten der Kanzlei aus dem Taxfonds144). Auf dem Reichsdeputationstag zu Frankfurt, der vom Mainzer Kurfürsten für den 1. August 1642 einberufen wurde und offiziell die Verhandlungen über das Reichsjustizwesen fortsetzen sollte, tatsächlich aber weit mehr der brennenden Frage eines allgemeinen Friedens galt145), wurden dann ebenfalls die Übergriffe der österreichischen Hofkanzlei zur Sprache gebracht. Am 18. April 1644 146) hatte der Erzkanzler in einem Schreiben an den Grafen Kurz nachdrücklich erklärt, daß er in Hinkunft aus der österreichischen Hofkanzlei ausgegangene Reichsgrafendiplome weder anerkennen noch dem Reichskammergericht und den Kurfürsten sowie den übrigen Reichsständen notifizieren werde. Diesem Schreiben folgte am 20. August 1644 ein Protest der in Frankfurt versammelten kurfürstlichen Gesandten an den Kaiser gegen die Praxis der österreichischen Kanzlei, die erbländische Untertanen zwinge, ihre Reichsadelsdiplome und andere Reichsprivilegien von ihr zu empfangen und die dabei die goldene Bulle verwende, auch legten sie neuerdings gegen die Belastung des Tax- amtes mit Reisekosten Verwahrung ein. Die Frage der Standeserhöhungen wurde dann über die Klage von Mainz auch in der Deputationssitzung vom 5. Oktober verhandelt, österreichischerseits berief man sich darauf, daß dem Erzhause gleich den Kurfürsten das Recht zustehe, in seinen Erblanden Standeserhöhungen, auch Grafendiplome zu erteilen, wie ja auch die Erblande einen eigenen Herrenstand hätten, dem auch Fürsten und Grafen angehörten. Nur um solche österreichische Privilegien handle es sich bei den Diplomen der österreichischen Hofkanzlei, während die Ausfertigung jener Diplome, in denen der Kaiser Personen zu Grafen und Herren des Reiches erhebe, der Reichskanzlei Vorbehalten sei, die Mainzer Klage beruhe somit auf einem Mißverständnis. In diesem Sinne erfolgte auch ein Beschluß, dem143) R. K. Verf. A. 2, u. Mzer. R. K. 3. Vgl. auch S e e 1 i g e r a. a. O. 158. 144) Meiern, Acta comitialia Ratisbonensia publica de 1653 et 1654, 2, 26 f. 145) Über diesen Deputationstag vgl. Erdmannsdörffer, Urk. u. Aktenstücke zur Gesch. d. Kurfürsten Friedrich Wilhelm v. Brandenburg 1, 793 ff. 14°) Die Akten für das Folgende i. R. K. Verf. A. 23, Nr. 45. 45