Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler
daraus der dominierende Einfluß des Obersthofmeisters Grafen Trauttmans- dorff erhellt, dem das Konzept, wie ein Vermerk darauf lehrt, am 7. November zur Approbation vorgelegt wurde 252). Die bereits an anderer Stelle erörterte Einflußnahme des führenden Beraters des Kaisers auf die Geschäftsstücke der Reichskanzlei neben dem Reichsvizekanzler findet darin erneut eine Bestätigung 253). Kurzens Tätigkeit erschöpfte sich nicht im politischen Schriftwechsel. Er hat auch auf die Zuteilung der Schriftstücke an den Reichshofrat Einfluß genommen durch Beisetzung von Vermerken, wie „Reichshofrat cum voto ad imperatorem“ u. ä. Dies führte zu einer Beschwerde des Reichshofratspräsidenten Reck an den Kaiser 254). Kurz pflegte auch oft eigenhändig das Präsentationsdatum auf diplomatische Berichte zu setzen 255). Bemerkt sei auch, daß er auf die Konzepte bisweilen ein „exp(ediatur)“ zum Zeichen seiner Genehmigung, meist auf der Rückseite, schrieb. Daß Kurz nach Trauttmansdorff und später Auersperg zu den einflußreichsten Beratern Ferdinands III. zählte, ist wohl außer Zweifel, ebenso, daß er gut kaiserlich gesinnt war. Im einzelnen bedürfte seine politische Stellung allerdings noch der Aufklärung, dies gilt in gleicher Weise von seinem Verhältnis zu den führenden Staatsmännern des Kaisers wie zum Kurfürsten von Mainz. Seine Stellung am Kaiserhofe in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges kennzeichnet sehr gut die Tatsache, daß der österreichische Hofkanzler Dr. Mathias Prikhelmayr in einem Gutachten vom 26. Juli 1643 über die Frage, wer zu den Friedensunterhandlungen zu entsenden sei, dem Kaiser neben Trauttmansdorff Kurz empfahl und sie findet ihren Ausdruck auch darin, daß Kurz auch dann an den Sitzungen der Deputationen teilnahm, wenn erbländische Angelegenheiten zur Verhandlung kamen. Er hat auch noch ungarische Fragen bearbeitet 256). Diesem aus den Akten gewonnenen Bilde entsprechen auch die Berichte der meist gut unterrichteten venezianischen Diplomaten am Wiener Hofe 2B7). Kurzens Widersacher und Haupt der Gegenpartei im Rate des Kaisers war Graf Johann Weikhard Auersperg. Dessen Einfluß war es auch zuzuschreiben, daß Ferdinand III. Kurz später nicht mehr volles Vertrauen schenkte, da man ihn verdächtigt hatte, vom bayrischen Hofe, wo sein Bruder Maximilian der leitende Minister war, abhängig zu sein 258). Kurz-,w) Es trägt von Söldners Hand den Vermerk: legit et approbavit excellentissimus dominus comes a Trautmansdorff 7 nov. 1640. “53) Vgl. hierüber oben S. 176. SM) Die undatierte Beschwerde Recks i. R. H. R. Verf. A. 26 (Reck); vgl. darüber auch oben S. 151 f. 255) Vgl. R. K. Bericht a. Berlin 1, Ber. a. Dresden 1 a, Dänemark 4. *'66) Vgl. hiezu die von mir i. d. Histor. Vierteljahrschr. 1924, 290 f. beigebrachten Belege. 257) Vgl. die Relationen Giustinianis v. 25. Febr. 1654 und Nanis v. 7. Jan. 1658 in Font. rer. Austr. II/26, 402 u. II/27, 10 sowie die Molins v. 29. März 1659 i. Venet. Depesch. v. Kaiserhof II/1, 227. 258) Vgl. die zitierten Relationen Giustinianis und Nanis, ferner auch R u v i 11 e, Die kaiserl. Politik auf dem Regensburger Reichstag 1653/54, Walderode berichtet in seiner gegen Kurz gerichteten Denkschrift (vgl. Anm. 266), daß Kurz 1646, als Bayern mit Frankreich verhandelte, vom Kaiser aus Mißtrauen zu den Ratssitzungen nicht beigezogen worden sei. — Über Auersperg vgl. in Hinkunft G. Mecenseffy, Im Dienste dreier Habsburger. Leben u. Wirken des Fürsten Joh. W. Auersperg. 338