Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

wurde seine Instruktion im geheimen Rate genehmigt und am 20. ging er nach Bayern. An die Reise zu Herzog Maximilian schloß sich dann eine solche zum Bischof von Speyer und zum Kurfürsten von Mainz, die ihn über Cannstatt, Altenburg und Ladenburg nach Aschaffenburg führte, von wo er im Laufe des Juni wiederholt, zuletzt am 27., berichtete. Ferdinand II. gewährte ihm dann einen Urlaub zum Gebrauche eines Sauerbrunnens, befahl ihm jedoch ausdrücklich und wiederholt, sich rechtzeitig in Frank­furt zum Wahltag einzufinden. Diesem Befehl kam Ulm auch nach, wurde aber dann neuerlich beurlaubt210a). Erst Anfang des Jahres 1620 ist er in Wien eingetroffen210 211). Seine Abwesenheit in diesen letzten Monaten des Jahres 1619, in denen sich die Gründung einer eigenen österreichischen Hofkanzlei vorbereitete, war zweifellos für die Reichskanzlei von großem Nachteil, wenn wahrscheinlich auch er an der Gestaltung der Dinge kaum hätte etwas ändern können. Seine Proteste im Frühjahr 1620 blieben be­kanntlich wirkungslos 212 213). An Ulms persönlicher Stellung wurde übrigens zunächst durch die Neuordnung der Kanzleiverhältnisse kaum viel geändert. Er rühmte sich alsbald, Ferdinands Vertrauen gewonnen zu haben und oft zu ihm berufen zu werden, doch vorwaltenden Einfluß beim Kaiser besaß er so wenig wie der neue österreichische Hofkanzler Verda von Verdenberg; immerhin ging durch seine Hände nach wie vor der größte Teil der poli­tischen Schriftstücke, auch der auf die Erbländer bezüglichen. 1622 sehen wir Ulm auch, unterstützt vom Sekretär Questenberg, die Korrespondenz mit den ungarischen Ständen leiten21S). Die Einbußen durch die neue Kanzlei erstreckten sich in den ersten Jahren wohl nur auf die Gratialia. Am 15. Oktober 1622 wurde Ulm vom Kaiser zum Freiherrn auf Erbach erhoben 214). Ein Konflikt Ulms mit dem im November 1623 ernannten Reichs­hofratspräsidenten Grafen Wratislaw Fürstenberg, der ihm das Recht der Übernahme und Präsentation der für den Reichshofrat bestimmten Schrift­stücke streitig machte, scheint ihn im Vereine mit Kränklichkeit bestimmt zu haben, um einen Urlaub anzusuchen und sich auf sein Schloß Marbach zurückzuziehen215). In der zweiten Hälfte des Jahres 1623 und in den Jahren 1624—1627 wurde er im Reichsvizekanzleramte durch Peter Hein­rich Freiherrn von Stralendorff, der damals Vizepräsident des Reichshof­rates war, vertreten, der auch an seiner Statt Unterzeichnete. Am 16. Juli 210 a) Vgl. den Auszug aus einem Brief Ulms aus Mittelbibrach v. 26. Sept. 1619 i. Mzer. R. K. 1, Nr. (49) 2. 211) Pudiers Protokoll verzeidhnet noch am 7. Dez. einen Bericht Ulms über die Pläne der Union, er weilte also damals noch fern von Wien. Die Wiedereröffnung des Reichs­archivs erfolgte am 16. Dez. in seiner Abwesenheit durch Peter Heinr. Stralendorff und Mechtl, vgl. oben S. 35. 212) Vgl. oben S. 40 f. 213) Vgl. Ungarn 400. 2t4) Konzept i. Staatsarch. d. Innern. Die lehenbare Herrschaft Erbach oberhalb Ulm hatte Ferdinand II. an Ulm, der dem Kaiser vor der Schlacht am weißen Berg eine größere Summe Geldes vorgestreckt hatte, verpfändet und als Mannlehen gegeben. Mit dieser Herrschaft kam auch das Wappen der Ellerbach an die Familie Ulm. 215) Vgl. den Ber. Nikolaus v. Deurings an den R. Vizekzler. Kurz v. 16. Aug. 1653 i. Mzer. R. K. 14. 333

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