Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

führt hatte109). Kurz war indessen auch Mitglied des geheimen Rates geworden, in dessen Protokollen er seit 1585 begegnet. Als Verweser des Reichsvizekanzleramtes entfaltete er alsbald eine eifrige Tätigkeit. Einzelne Ausarbeitungen von seiner Feder treffen wir schon aus der früheren Zeit no), jetzt nimmt indessen die Zahl der von ihm entworfenen und ver­besserten Konzepte sehr stark zu. Seine Tätigkeit erstreckte sich nicht nur auf die diplomatische Korrespondenz, bei der er die einlaufenden Berichte mit kürzeren Inhaltsangaben versah und auch eigene umfangreiche Aus­züge machte sowie einzelne Weisungen selbst abfaßte nl), sondern auch auf die vertrauliche Korrespondenz des Kaisers mit anderen Mitgliedern des Erzhauses. Derartige Schreiben des Kaisers sind sehr oft von seiner Hand konzipiert. Bisweilen diktierte ihm auch der Kaiser in die Feder 112). Be­sonders zahlreiche eigenhändige Schriftstücke Kurzens finden sich in den Aktenbeständen über die polnischen Wirren der Jahre 1587—1588 113). Ebenso hat er auch den ungarischen Angelegenheiten seine Aufmerksam­keit zugewandt114). Für Kurz charakteristisch sind die Auszüge und schlagwortartigen Bemerkungen, die er oft am Rande eingelaufener Schrei­ben selbst machte 116). Er hat auch des öfteren chiffrierte Briefe selbst de­chiffriert 116). Auch in den für den Reichshofrat bestimmten Akten läßt sich seine Hand verfolgen. So finden wir in italienischen Lehenssachen viele Rubren von ihm geschrieben117). In der Behandlung der Einlauf­stücke folgt er dem Beispiel seines Vorgängers. Diese ausgedehnte Tätig­keit läßt es begreiflich erscheinen, daß Kurz nach Entlastung strebte. Eine nach seinem Tode verfaßte Denkschrift spricht davon, daß er in der Erkennt­nis der allzu großen Belastung des Reichsvizekanzlers, der Sekretäre und Reichshofratsreferenten der Meinung gewesen sei, man solle beim Reichshof­rat so wie am Reichskammergericht zwei Ratstische, einen für deutsche und einen für welsche Sachen einrichten, sowie daß er sich zu seiner persön­lichen Unterstützung des Dr. Freymon für die deutschen und des Dr. Pezzen für die Kriegssachen bedient habe 118). Kurz hat sich während seiner ganzen Amtsführung des Vertrauens des Kaisers und großen Ein­flusses bei ihm erfreut, wenn er auch nicht der alleinige maßgebende Berater war 119). Die Berichte der Nuntien in Prag aus dieser Zeit zeigen am besten, wie Kurz die Führung der politischen Geschäfte des Kaiserhofes zu besorgen hatte. Immer wieder berichten die päpstlichen Diplomaten von Unterhandlungen mit ihm, von Erklärungen, die er im Aufträge des Kaisers ihnen abgibt, von den Antworten, die er fremden Gesandtschaften 10<l) Schweizer, Nuntiaturber. II/3, S. XLVI. 110) Vgl. R. T. A. 60» zum Rotenburger Tag v. 1583 u. österr. Akt. Ndöst. 8 a zu 1584, Spanien 11 zu 1586 Nov. 2. m) Vgl. Russica i l> (1588), Spanien 12 u. 13, Rom 43 zu 1593 Sept. 21. 112) Vgl. Briefe Rudolfs an Mathias v. 1593 in Fam. A. 39, ferner die Akten zu Rudolfs Heiratsprojekt in Fam. A. 35 (zu 1589). llá) Polonica 23. U1) Vgl. Ungarn 121, 122 u. 123 (1588—1591). 115) Vgl. Kl. Reidisstde. 215: Schreiben an Rudolf v. 1591 Mai 2. 116) Vgl. die Berichte in Spanien 12 u. 13. 117) Vgl. Feuda lat. Kart. 36 (Mirandola). 118) R. H. R. Veri. A. 8, Nr. 47. u”) Vgl. dazu S t i e v e, Die Verhandlungen über d. Nachfolge K. Rudolfs II., 36. 320

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