Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

qualificiert“ nennt der Kaiser Weber und auch Zasius, die im übrigen „guet laidt“ seien 42). Maximilian wollte daher einen neuen Vizekanzler haben und sein Schwager sollte ihm einen geeigneten Mann beschaffen. Herzog Albrecht setzte sich warm für Zasius ein, ohne jedoch Maximilian von seiner geringschätzigen Meinung über diesen abbringen zu können 43). Wiewohl nun der Kaiser so wenig von der Eignung Webers und Zasius’ für die Vizekanzlerschaft hielt, ist nicht nur der erstere während seiner ganzen Regierungszeit Vizekanzler geblieben, sondern auch Zasius neben Weber, wie wir noch sehen werden, Vizekanzler geworden. Nach dem Tode Zasius’ im Jahre 1570 war der Kaiser abermals auf der Suche nach einem neuen Vizekanzler. Wieder wurde mit verschiedenen Kandidaten für diese Stelle, darunter dem nachmaligen Vizekanzler Dr. Vieheuser, ver­handelt, aber auch diesmal waren die Verhandlungen ergebnislos und fortan blieb bis zu Maximilians Tode Weber alleiniger Vizekanzler 44). Webers Stellung kann, wie schon aus dem Vorgesagten erhellt, an Einfluß und Bedeutung mit der Selds natürlich nicht verglichen werden. Immerhin brachte es die Tatsache, daß er nun einmal das Amt des Vize­kanzlers bekleidete und als solcher im geheimen Rat saß, mit sich, daß er in den Reichsgeschäften eine gewichtige Stimme hatte. Eine Arbeitsteilung zwischen ihm und Zasius läßt sich nicht feststellen. Der Tod des Zasius brachte Weber erhöhten Einfluß. Im Vergleiche zu Seid und aber fast noch mehr zu Zasius fällt es auf, daß seine Hand verhältnismäßig sehr selten in den Akten erscheint. Dies gilt besonders für die Zeit, da er die Vize­kanzlerschaft gemeinsam mit Zasius versah. Es scheint, daß damals seine Tätigkeit in erster Linie den mit dem Reichshofrat zusammenhängenden Geschäften gewidmet war 45 *). Eine Bemerkung in einem Briefe des Zasius, daß Weber nicht viel mit den negotia status zu tun habe458), würde dadurch eine Bestätigung finden. Seit 1570 läßt sich auch aus den Akten auf eine gesteigerte Tätigkeit Webers schließen. Jetzt trifft man neben ausgedehnteren Korrekturen Webers, wie z. B. im Konzept der Proposition zum Regensburger Reichstag 4e), auch auf eigenhändige Konzepte des Vize­kanzlers, so besonders zu Schreiben des Kaisers an den König von Polen 47). Im großen und ganzen hat man nicht den Eindruck, daß Weber im Amte von besonderem Tätigkeitsdrang erfüllt war. Seine Auffassung von Amt und Leben kennzeichnet gut sein eigener, von dem bayrischen Sekretär Winkelmair berichteter Ausspruch: „Zasi hette das herz abgearbeit, niemant nit getraut, alles selbs gesteh; das wolte er nit tun, sonder sich viel lieber zu tod trinken als arbeiten.“ 48) Dabei scheint Weber nach dem Urteil einzelner Zeitgenossen ein ausgesprochener Opportunist gewesen zu sein, 4S) Bibi a. a. O. 169. 43) Bibi a. a. O. 189 u. 230. 44) Vgl. oben S. 21. 45) So finden sich Korrekturen Webers in einem Konzept Obernburgers im Prozesse des Markgrafen von Finare gegen den Herzog von Savoyen 1568 Okt. 22 i. Jud. lat. 230. 45 a) G ö t z a. a. O. j, 378. 4e) R. T. Akten 54. — Vgl. auch Polonica 16 b das Schreiben v. 1576 April j. 47) Polonica 10: 1571 Nov. 6 u. 1572. 48) G ö t z, Briefe 5, 780. 313

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