Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

behandelt und uns gut über Seid unterrichtet, heute aber durch neues Material vielfach zu ergänzen und zu berichtigen wäre. Von älteren Bio­graphien bringen Pantaleons Prosopographiae 32) und V e i t h s Bi­bliotheca Augustana33) eingehendere Nachrichten über Seid, weitere Li­teratur ist bei Druffel angeführt 34). Selds Nachfolger, Dr. Johannes Baptista Weber, war gleich ihm aus Schwaben gebürtig. 1527 oder 1528 in Memmingen als Sohn des dortigen Arztes Dr. Cyriacus Weber geboren, wurde er 1541 in Ingolstadt im­matrikuliert und wird 1552 als Doktor, 1556 als Ordinarius der Institu­tionen und Rektor zu Ingolstadt genannt35). Das Doktorat hatte er jedoch nicht in Ingolstadt, sondern 1548 in Bologna erworben38). 1558 trat er in bayrische Dienste und wurde Kanzler zu Landshut 37). Schon im fol­genden Jahre zog Ferdinand I. Weber in seine Dienste. Wir hörten schon, daß der Erzkanzler Weber am 16. Juni 1559 zu Augsburg als Vertreter des Reichsvizekanzlers in Pflicht nahm 38). In dieser Stellung hatte er den Vizekanzler der Kanzleiordnung gemäß im Reichshofrat zu vertreten. In der Tat erscheint Weber schon 1559 in den Präsenzlisten der Reichshofrats- protokolle wiederholt „loco domini vicecancellarii“ 39). Daß er Seid auch außerhalb des Reichshofrates in diesen Jahren vertreten hätte, konnte ich nicht feststellen, doch wäre es immerhin möglich. Seine Bestellung zum Nachfolger Selds war wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, daß ihm die Reichsgeschäfte durch seinen mehrjährigen Dienst bereits bekannt waren und die Verhandlungen mit anderen Personen, wie schon erwähnt, scheiterten. Seid hat jedenfalls keinen Einfluß auf seine Ernennung ge­nommen, seiner eigenen Aussage zufolge war sein Verhältnis zu Weber ein kühles und erstreckte sich lediglich auf den dienstlichen Verkehr 40). Webers Ernennung, die wir nach dem oben Gesagten in den Spätsommer oder Herbst des Jahres 1563 werden setzen müssen41), scheint bis zu einem gewissen Grade ein Akt der Verlegenheit gewesen zu sein. Solange Seid lebte, war Webers Stellung schon durch dessen Einfluß jedenfalls eine stark gedrückte. Daß Kaiser Maximilian von Webers Befähigung für das Vize­kanzleramt nichts hielt, schrieb er seinem Schwager Herzog Albrecht ganz deutlich in demselben Briefe, in dem er ihm Selds Tod mitteilte. „Gar nit 32) Pantaleon Heinricus, Prosopographiae heroum atque illustrium virorum totius Germaniae Pars 3, 345 ff. 33) Vgl. Anm. 16. 34) Angeführt sei noch eine Biographie Selds i. d. Lebensbeschreibungen zur Er­weckung und Unterhaltung bürgerl. Tugend, 2. Sammlg. Augsburg 1782. 35) G ö t z a. a. O. 156, Anm. 2 nach Mederer, Annales Ingolstadiensis Academiae I, 175 u. 244. — Eine Biographie Webers gibt es nicht, die Angaben bei Pantaleon a. a. O. 505 sind überaus dürftig. 3") Gustav Knod, Deutsche Studenten in Bologna (1289—1562) 612, Nr. 4081. 37) G ö t z a. a. O. 38) Vgl. oben S. 11. 39) R. H. R. Resol. Prot. saec. XVI, Nr. 13 zu Juli 17, Aug. 3, Dez. 5 d. J. 1559. 40) Seid erwähnt im Dez. 1563 in einem Brief an Hzg. Albrecht (Götz 263, Anm. 1), daß er in drei Jahren „nicht eine Suppe bei Weber gegessen habe“, verteidigt jedoch Weber, der anscheinend bereits damals mancherlei Unzufriedenheit am Kaiserhofe wie auch bei Albrecht hervorgerufen hatte. 41) Der R. H. R. Schober nennt ihn im R. H. R. Resol. Prot. saec. XVI, Nr. 32, fol. 45 am 19. Aug. 1563 vicecancellarius, vgl. indessen auch über seine Titulierung oben S. 18. 312

Next

/
Thumbnails
Contents