Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

von Mainz aus durch kurfürstliche Gesandte über Vermischung der Reichs­und erbländischen Sachen erhoben wurden, keineswegs unbegründet ge­wesen sein dürften. Auch der Kaiser sprach sich ja in seiner Antwort auf die Beschwerden vom 3. Januar 1565 nicht gegen eine strengere Absonde­rung aus, woraus vielleicht bis zu einem gewissen Grad die Stichhaltigkeit der Mainzer Klagen hervorgeht 34). Die Sorgen des Erzkanzlers bewegten sich damals allerdings noch weit mehr in einer anderen Richtung. Man scheint am Mainzer Hofe, wo man merkwürdigerweise an der dauern­den Geltung der zwischen Kaiser Ferdinand I. und dem Erzkanzler ge­troffenen Abmachungen zweifelte3411), gefürchtet zu haben, daß der neue Kaiser die Konzessionen Ferdinands I., besonders das Recht zur Ernennung der Kanzleipersonen, das der Mainzer Sekretär Simon von Baghen zu den „vornehmsten Stücken“ der Kanzleiordnung zählte 34 b), nicht anerkennen würde. Deutlich spricht diese Befürchtung aus einem an Daniel von Mainz gerichteten Schreiben Baghens34b), der selbst als Ge­sandter des Erzkanzlers in Wien beim Kaiser wegen der Kanzleimängel vorstellig geworden war, und es scheint, daß man am Hofe des Erzkanzlers über den Vorschlag des Kaisers, die ganze Frage einer neuen Regelung zu unterziehen, zunächst gar nicht sehr entzückt war. Die Beschwerden des Erzkanzlers fußten teils auf Beobachtungen Baghens in Wien, teils wurden sie in ihrem auf das Taxwesen bezüglichen Teil durch Berichte des Taxators Ungelter, der hier trotz seiner Vergangenheit sich als Vertrauensmann des Kurfürsten zeigte, genährt340). Die erzkanzlerischen Klagen richteten sich, wenn auch nicht formell, so doch tatsächlich, großenteils gegen den Vizekanzler Zasius, der nach dem Berichte Baghens eine eigene Kanzlei hielt und mit seinen Sekretären die Papiersachen und lateinischen Briefe Unterzeichnete, wiewohl weder er noch seine Beamten der Kanzleiordnung gemäß vom Erzkanzler in Eid genommen worden seien. Die Stellung des Zasius, der übrigens damals trotz dieser ihm so wenig günstigen Ein­stellung des Kurfürsten mit diesem im Briefwechsel stand, war in der Tat eine eigentümliche. Die Tatsache einer doppelten Besetzung des Vize­kanzleramtes mit Weber und Zasius, die man unter Maximilian II. ver­folgen kann, wurde schon durch S e e 1 i g e r und Kretschmayr fest­gestellt 34d). Es ist indessen sehr zweifelhaft, ob Zasius damals, zu Beginn des Jahres 1565, tatsächlich schon Vizekanzler war. Abgesehen davon, daß die Mainzer Kanzlei ihm in den kurfürstlichen Schreiben dieser Zeit niemals diesen Titel gibt, wissen wir auch aus dem Briefwechsel Kaiser Maximilians II. mit Herzog Albrecht von Bayern, daß der Kaiser noch nach dem am 34) Teile des Briefwechsels zwischen Kaiser und Erzkanzler bei Fellner-Kretsch- mayr I/2, 313!., weiteres Material in Mzer. R. K. 1. Der Exkanzler hatte übrigens schon 1562 über Verletzung der Kanzleiordnung und Vermischung der Reichs- und erbländi­schen Sache Klage geführt, vgl. den Bericht v. 5. Apr. 1562 an den Kaiser bei Krause a. a. O. 103 aus kais. R. T. A. 45 (nicht aus den Mainzer R. T. A., wie Krause angibt). 34a) Simon v. Baghen schreibt am 4. Mai 1565 an den Kurfürsten: Entgegen aber erwegen ich auch, das alle handlung der canzley und kay. insigl wegen sambt darauf erfolgter Vergleichung und canzleiordnung zwischen weilund hochstloblichster gedachtniß kayser Ferdinand und euer churfstl. gnaden gepflogen temporal gewesen (Mzer. R. K. 1). 34 b) In seinem Schreiben an den Erzkanzler v. 9. Febr. 1565 (Mzer. R. K. 1). 34°) Vgl. über ihn unten S. 449 f. — Seine Berichte i. Mzer. R. K. 1. 34 d) S e e 1 i g e r a. a. O. 155, u. K r e t s c h m a y r, Arch. f. őst. G. 84, 420. 2 17

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