Historische Blätter 7. (1937)

Fritz v. Reinöhl: Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I.

nicht, wie üblich, als Mahnung anstatt zu verwalten zu regieren, sondern als Aufforderung deuten möchte, keine Reformen durchzuführen, vielmehr mit der bestehenden Verfassungs- und Verwaltungsform zu regieren. Punkt 6 und 7 fehlen dem Handschreiben. Der Zusatz Gentzens ist nicht verwertet. Dem Leser des Metternichschen Entwurfes kommen empfind­liche Mängel der Regierung Franzens in Erinnerung: Seine Kabinetts­regierung, d. i. die Arbeit mit Kabinettsreferenten ohne fest ausgesprochene deutlich bezeichnete Form, seine Abneigung gegen alle Reformvorschläge, sein Widerstreben gegen mündliche Besprechungen in einer Konferenz. Man erinnert sich an Metternichs wiederholte Forderungen nach geregelter Geschäftsgebarung, nach Reformen! Wenn demnach gerade die auf die Abstellung jener Übelstände abzielenden Ratschläge im Handschreiben fehlen, dann darf wohl geschlossen werden, daß diese Auslassungen auf den Kaiser selbst zurückgehen. Seinem eigenen Entschlüsse ist zweifellos auch der Rat entsprungen, Ferdinand möge Erzherzog Ludwig „volles Vertrauen“ schenken, ihn in wichtigen inneren Angelegenheiten fortan zu Rate ziehen und Franz Karl in der Kenntnis der Geschäfte erhalten, ein Rat, der im Entwurf des Staatskanzlers nicht enthalten ist. Auf den Kaiser selbst geht m. E. auch die Fassung jenes Teiles des Handschreibens zurück, welcher Metternich betraf. Metternich hatte als letzten, achten Punkt seines Entwurfes eingesetzt: „Als den Mann, welchen ich Meinem Sohne als einen treuen, seines vollsten Vertrauens würdigen Ratgeber eigend(s) empfehle, bezeichne ich...“; der Name, als welchen der Staats­kanzler wohl den eigenen erhoffte, war nicht eingesetzt. Die endgültige Fassung enthält gegenüber diesem Entwurf ein Mehr und ein Weniger. Sie empfiehlt, auf Metternich „das Vertrauen, welches Ich ihm während einer so langen Reihe von Jahren geschenkt habe“, zu übertragen und über öffentliche Angelegenheiten wie über Personen keine Entschlüsse zu fassen, „ohne ihn darüber gehört zu haben“. Das Handschreiben drückt sich somit genauer aus als der Entwurf des Staatskanzlers: Er soll über öffentliche Angelegenheiten und Personen gehört werden, der Ausdruck des „vollsten Vertrauens“ ist vermieden, volles Vertrauen soll Ferdinand seinem Onkel Erzherzog Ludwig schenken. Und noch ein feiner Unterschied scheint mir in dieser letztwilligen Verfügung zu liegen: sie fordert Ferdinand auf, Erzherzog Ludwig zu Rate zu ziehen, Metternich nur zu hören. Daß diese Auffassung nicht überspitzt ist, dafür lassen sich m. E. Belege erbringen. Als Kaiser Franz sich 1825 von einer schweren Erkrankung erholt hatte, liefen Gerüchte um, daß er kränklich geblieben sei, daher die Ernennung des Thronfolgers zum Mitregenten geplant wäre. Erzherzog Johann vermutete damals, daß Metternich selbst diese Gerüchte 77

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