Historische Blätter 7. (1937)

Josef Karl Mayr: Die Schlussakte des Wiener Kongresses

der Signatarenäehte — Spanien ausgenommen — versehen waren. Deut­lich sind auf dem österreichischen Exemplar die nachträglichen Besiege­lungen wahrzunehmen. Unterdessen hatte sich die Wiener Kongreßkanzlei vollends geleert. Humboldt hatte sich am 20. Juni nach Tegel begeben, Wessenberg und Werner waren — dieser mit dem österreichischen Exem­plar der Schlußakte — am 1. Juli28, Wacken und Schweiger am 2. Juli ins Hauptquartier abgereist. Als Gentz die für die Nichtsignatare bestimmte Akzessionseinladung verfaßte, verwies er im Sinne des Artikels 121 der Schlußakte auf ein mit 20. Juni in der österreichischen Staatskanzlei hinterlegtes, allgemein zugängliches Normalexemplar. Damit hatte er aber zuviel versprochen. Denn am 19. Juni lagen erst die in größter Eile zu Papier gebrachten Original­exemplare vor. Das Normalexemplar war noch ausständig. Schon schickten sich aber die letzten Kongreßbevollmächtigten zur Heimreise an. Da verfiel man auf ein ungewöhnliches Auskunftsmittel. Man ließ die anwesenden Bevollmächtigten — Labrador ausgenommen — auf der Vorder- und Rückseite eines Blattes in bianco unterschreiben und behielt ihre Pet­schafte zurück, mit denen das nachträglich zu Papier gebrachte und ge­heftete Normalexemplar besiegelt werden sollte. Die Verteilung der Unter­schriften auf zwei Seiten mochte die Übersiegelung der Schnur erleichtern. Daß die Portugiesen Palmella, Saldanha und Lobo ihre Petschafte nicht aus der Hand gaben und ihren Unterschriften unter einem auch die Siegel beisetzten, hat die Geschicklichkeit der Österreicher auf eine harte Probe gestellt. Sogleich allerdings konnten ihre Kopisten nicht ans Werk gehen. Wacken hielt sie infolge der Unverläßlichkeit des vorhandenen Textma­terials zurück und ließ Mekarsky, der schon mit dem Abschreiben der Beilagen begonnen hatte, solange aussetzen, bis das österreichische Origi­nalexemplar, das Werner am 1. Juli mit sich genommen hatte, mit den restlichen Unterschriften und Siegeln versehen, am 21. August wieder in Wien einlangte. Nun erst konnten Wackens Kopisten Spengler und Me­karsky — jener mit den Vertragsartikeln, dieser mit dem Urkundenan­hang — an die Arbeit gehen. In der letzten Augustdekade haben sie ein kalligraphisches Kunstwerk geschaffen. Mit nicht geringerer Meisterschaft wußte der Kanzleidirektor Hoppé die Bogen zu heften und die Schnur unter den nachträglich angebrachten Siegeln so zu verstecken, daß die schnurfreien portugiesischen Siegel nicht auffielen. Dennoch wollte Hude­list, um jeden Zweifel an der Authentizität des Normalexemplares auszu­schließen, den Sachverhalt auf diesem selbst oder auf einem Einlageblatte 28 1815 VII. 1. Hudelist an Metternich Wien, Staatsarchiv, Interiora 79. 67

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