Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

wertvollsten Züge seinen germanischen Trägern, die es schöpferisch nach ihrem Wesen umformten: so seine Wirklichkeitszugewandtheit, wie sie sich besonders in der der Reform abgeneigten deutschen Benediktiner­kultur zeigt, und die relativ große geistige Freiheit, die allerdings in späteren Jahrhunderten von kirchlichem Fanatismus erstickt wurde. Für diese Germanisierung des Christentums war nun gerade auch die geistige Haltung Karls des Großen und sein Eingreifen in Lehre und Liturgie von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In dem bekannten Bilderstreit mit der griechischen Kirche hat Karl von einem seiner Hoftheologen die nach ihm benannten karolinischen Bücher verfassen lassen, und zwar nach Richtlinien, die er zweifellos selbst aufgestellt hat49. Mit leidenschaftlichem Stolz wird hier der östlichen Kirche die abendländische gegenübergestellt, den großen orientalischen Kirchenvätern Augustinus, den Beschlüssen des Konzils von Nicäa die Meinung der fränkischen Kirche. Man solle Gott, läßt hier Karl verkünden, nicht mit den Augen des Leibes suchen und schauen, sondern mit denen des Geistes. „Unseliges Gedächtnis“, ruft der Verfasser aus, „das, um Christi zu ge­denken, eines gemalten Bildes bedarf, während doch Christus nie aus dem Herzen der Frommen weichen darf.“ Anderseits wird jedoch aus­gesprochene Bilderfeindschaft verurteilt: Nicht jedes Bild sei ein Idol; als Schmuck und zur Erinnerung mögen die Bilder ihren Wert behalten 60 • Hier offenbart sich das Selbstbewußtsein der jungen germanischen Kirche, deutsche Innerlichkeit und das deutschem Wesen entsprechende Verhältnis zu den Bildern, das die Mitte hält zwischen orientalischer Ikonodulie und der Bildlosigkeit des Islams. Daß es sich bei den Libri Carolini, die sich übrigens mehrmals an die öffentliche Meinung wenden, abgesehen von der politischen Spitze gegen Byzanz, wirklich um einen Ausdruck germanischen, deutschen religiösen Empfindens handelt und nicht etwa um Mangel an Kunstsinn, das beweist die Tatsache, daß Karl d. Gr. den Erhaltungszustand der Wandgemälde in den Kirchen von Staats wegen überwachen ließ (Capit. von 807). Überdies bekennen ja die karolinischen Bücher selbst aus­drücklich: „Kein vernünftiger Mensch setzt die Bilder und die Malkunst herab.“ Vielleicht führt aber auch positiv eine Brücke von der in diesem 49 Neuerdings ist Karls weitgehender persönlicher Anteil an den L. C. durch den Nachweis, daß die tironischen Randbemerkungen der Handschrift seine persön­lichen Beifallsäußerungen enthalten, positiv bewiesen (Wolfram von den Steinen, Karl der Große und die Libri Carolini. Neues Archiv f. alt. dt. Geschichtskunde 49, 1932, S. 207-280). 50 Vgl. über die L. C. A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 2, 312 ff. und H. v. Schubert, Geschichte der christl. Kirche im Frühmittelalter, 384 ff. 23

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