Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

Festungen“, zeigen ihn zur selben Zeit, in der Metternich in der Ab­wehr der philhellenischen Politik ein Postulat der Erhaltung der be­stehenden Rechtsordnung Europas erblickt31, in kaum verborgenem Gegensatz zu den Grundzügen des herrschenden Systems. Er zählt das türkische Reich zu den absterbenden, sich der Auflösung nähernden Staaten und stellt in der Betrachtung desselben ganz allgemein den Satz hin, daß es klüger sei, sich mit dem geistigen Fortschritt zu verbinden, als denselben zu bekriegen 32. In der „militärischen Betrachtung der Lage Österreichs“ vom Jänner 1828 geht er weiter. Er erkennt in dem System der „constitutionellen Verfassungen ein weises und großes Prin­zip, das wahrscheinlich binnen kurzem in allen Ländern Europas zur Ausführung gebracht“ sein werde, ein „Ziel, wornach alle Völker so lange vergebens strebten 33“. Im weiteren Verfolg seiner Gedanken sieht er „das System der stehenden Heere“ unter den neuen Bedingungen der Zeit „von selbst fallen“ und „die zuverlässigste Stärke eines Staates auf zweckmäßig gebildeten Landwehren beruhen“, einer Einrichtung, die im Volke das Bewußtsein lebendig erhalte, „daß es sich selbst vertheidige“, einem „kriegerischen Geiste, der nicht leicht ausarten werde, weil die­jenigen, welche er belebe, niemals aufhörten, Bürger zu seyn 34“. Mit „großer Überzeugung“ stellt er „die Vortheile“ der Landwehren dem stehenden Heere entgegen, die „zu der Annahme berechtigen sollten, daß man in allen Staaten gleichzeitig mit der einzuführenden Verfassung diese Änderung beabsichten und durchführen werde“, Anschauungen, die schließlich in die pazifistische „Hoffnung“ ausklingen, daß dadurch mit der Zeit Kriege überhaupt unterbleiben werden, weil eine ganz unter Waffen stehende Nation noch niemals unterjocht wurde 35. 31 Srbik, Metternich I, 624. 32 A. a. O. S. 405 und 408. 33 A. a. O. S. 446. Vgl. ebenda die Stelle: „Erhält Preußen, wie es den An­schein hat, noch überdies eine Konstitution, welche alle Kriege, die aus rein per­sönlichen Beweggründen entspringen, beseitigt...“ (ebenda 437). 34 A. a. O. S. 447. Ebenda: „Ein solcher Geist macht ein Volk unüber­windlich.“ Das „größte Muster“ dafür sei die französische Revolution und der spanisch-portugiesische Krieg in den Jahren 1808 bis 1812 auf der pyrenäischen Halbinsel. Auf die preußische Landwehr kommt er erst in dem späteren Aufsatze von 1834 zu sprechen. Siehe unten. 35 A. a. O. S. 449 f. Schon in der Denkschrift von 1827 („Über Festungen'') ist von „nach dem gegenwärtigen Zeitgeist wohl organisierten Landwehren“ die Rede. Ebenda S. 41^£Í Radetzkys Liberalismus in dieser Epoche findet eine ge­wisse Parallele in der Einstellung des Erzherzogs Karl. Vgl. dazu Srbik, Metter­nich II, 6f. 11

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