Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

debatte mit den verletzendsten Ausdrücken an: „Wir, die Deutschen, müssen es wünschen, daß die Radetzkys aus Italien verjagt werden ..., daß die Tyrannen der Italiener, die Tillys der neueren Zeit, die Ra­detzkys geschlagen werden 22.“ Der Eindruck ist stärker als die Zu­rückweisung, die dieser „halbe Verrat an der Nation“ gleich darauf durch den Präsidenten der Versammlung, Heinrich von Oagern, und in tiefer Entrüstung durch den preußischen Abgeordneten Löw von Posen erfährt23. Am 12. August kommt es zur eigentlichen Debatte über den österreichisch-italienischen Krieg, an dem Berichte von Räumers, der für das Prinzip der Nationalität eintritt und zugleich die österreichische Stellung in Italien mit kluger Schonung beleuchtet, entzünden sich die wilden Flammen der radikalen Elemente, für die der Abgeordnete Nau- werck das Wort führt und Deutschland dagegen aufruft, daß nicht in Wahrheit, wie es in dem Gedichte Grillparzers heiße — „In deinem Lager ist Österreich“ — Radetzky auch zum „tatsächlichen Leiter der Geschicke Deutschlands“ werde 24. Und wenn jetzt General von Rado- witz darauf erwidert, daß er die Siege der Österreicher „mit höchster Freude begrüße, dieser ruhmgekrönten Armee, die auch für uns ge­litten, gefochten und gesiegt habe“, so klingt doch auch in seiner Rede durch, daß er die Stellung am Mincio für Deutschlands Verteidigung genügend erachtet und die Aufgabe der Lombardei, die Gewährung des italienischen nationalen Dranges empfiehlt25. Auch in den maß­vollen Anträgen der „Kleindeutschen“, die Waitz von Göttingen for­muliert, ist die Erwartung ausgesprochen, daß die Zentralgewalt „die Mittel finden werde, bei der Entscheidung dieser Frage die Interessen Deutschlands zu wahren und mit den Ansprüchen der Selbständigkeit Italiens in Einklang zu bringen 26“. Das wiederholte Schauspiel verletzender Angriffe durch die Ab­geordneten der Linken, das die Nationalversammlung auch nach der 22 Sten. Bér. II. 1187. Vgl. Augsb. Alig. Zeitg. vom 29. Juli 1848 (S. 3361). 23 Sten. Bér. II. 1187 und 1188. 24 Sten. Bér. II. 1564. Siehe auch die folgende Anmerkung. 25 Sten. Bér. II. 1566. Augsb. Alig. Zeitg. 1848, II. S. 3634. 26 Sten. Bér. II. 1560. Dort auch der Antrag Venedey und Genossen, wonach die „österreichische Regierung“ durch das Reichsministerium veranlaßt werden soll, „mit Italien einen Frieden zu schließen, durch den nicht nur die Interessen Österreichs und Deutschland gewahrt, sondern auch die heiligen und unver­äußerlichen Rechte der italienischen Nation anerkannt und gesichert werden“. Zur gleichzeitigen hochkonservativen preußischen Kritik der italienischen Gesichts­punkte des Generals v. Radowitz vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, 328. 9

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