Historische Blaetter 3. (1921-1922)

Heinrich R. v. Srbik: Die deutsche Einheitsfrage in der Frankfurter Nationalversammlung

europa vor dem inneren Zerfallen und dem äußeren Zerstören gewahrt wurde, der deutsche Nationalstaat aber ein Objekt unerfüllten Sehhens bleiben mußte; oder der deutsche Nationalstaat mußte im engeren Raume, durch' Besiegung und Ausschaltung der geschichtlichen Gegen­kräfte, geschmiedet werden. Das letztere ist geschehen; als es zu spät war, hat Bismarck gelegentlich wieder die Schaffung eines „Bündnisses unter gesetzlicher Bürgschaft“, „pragmaitische Einrichtungen“ zwischen dem neuen Reiche und dem ausgeschlossenen Österreich erwogen. Einen unzulänglichen Ersatz nur bot das Bündnis des Jahres 1879, ein bloß völkerrechtlicher Vertrag ohne den Reichtum des Inhalts, der einst selbst Mühlfeld vorgeschwebt hatte, unzureichend für den Schutz des Deutschtums in Österreich und den Bestand der Monarchie, unzu­reichend für das neue deutsche Reich und für die Sicherung Mittel­europas gegen die Flankenmächte, verbunden mit der einseitigen Orientierung nach dem .Westen. Mitten im Kriege, der Mitteleuropa zer­stört hat, ist dann die alte Idee der dauernden, engsten Verbindung beider Miächte zu kurzem Leben wieder erwacht. Wie die Dinge um die Mitte des vergangenen Jahr­hunderts einmal lagen, führte aus der „Quadratur des Zirkels“, um Bismarcks Wort zu gebrauchen, nur der harte Realismus, wenn anders die Tendenz zum Nationalstaate überhaupt durchdringen sollte. Die Geschichte hat zunächst diesem Realismus recht gegeben; das neue deutsche Reich wurde ein national unvollkommenes, vom Ideale ent­ferntes, geschichtlich trotzdem bewundernswertes Gebilde. I d e a 1 i- scher war der großdeutsche Gedanke, seine Reali­sierung aber stand nicht im Bereich des Möglichen, poweit er gleichfalls auf die Schöpfung eines Na­tionalstaates abzielte. Die: Zukunft, so hoffen wir mit brennendem Herzen, möge ihm ge­hören, ohne daß wir in Unehren der Vergangenheit gedenken!

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