Historische Blaetter 3. (1921-1922)
Heinrich R. v. Srbik: Die deutsche Einheitsfrage in der Frankfurter Nationalversammlung
liehen, in der Verfassung beider Staaten verankerten und unkündbaren Bund, der die Gemeinsamkeit der äußeren, militärischen und teilweise auch der wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Inhalte hat), zu einem untrennbaren politischen .Gesamtkörper, in dem alle lebenswichtigen Gebiete beiden Komponenten gemeinsam sind, zusammen-; geschlossen. Wieder wollte der hessische Staatsmann zugleich dem berechtigten Streben des deutschen Volkes nach einem Nationalstaate, dem berechtigten österreichischen Staatsgefühle und dem übernationalen und überstaatlichen mitteleuropäischen Gedanken gerecht werden. Diese politisch höchststehende Ideenschöpfung der Paulskirche, keineswegs aus Gagems Geist allein entsprungen, ist von den Reinpreußischen unter den Kleindeutschen, die fast mehr großpreußisch als gemeindeutsch dachten, ins Realpolitische gewendet worden; sie nahmen den großdeutschen und mitteleuropäischen Gehalt des Planes1 hin, um den kleindeutsch-preußischen Teil zu verwirklichen, und nach einem Verzweiflungskampfe der Großdeutschen gegen G'agerns Programm — einem Kampfe, in dem alle Saiten des Herzens und des Verstandes erklangen, in dem auch die Triasidee des' „reinen Deutschlands“ und die großösterreichische Idee des Siebzigmillionenreiches zu Worte kamen — scheiterte die geschichtliche Tendenz an der gefühllosen Klarheit, die den starken deutschen Staat unter preußischer Führung schaffen wollte. Mit Hilfe von selbstverleugnenden Gegnern des Kleindeutschtums wurde Gagems Plan angenommen. Die Zerklüftung des Parlaments erreichte den Höhepunkt bei der Beratung des Artikels „vom Reichsoberhaupte“. Es schied sich zunächst die republikanische von der monarchisch-konstitutionellen Richtung, die Großdeutschen spalteten sich in die Vertreter der Präsidentschaft oder des befristeten Wahlkönigtums und in die des Direktoriums, die Kleindeutschen in die des preußischen Wahlkaisertums‘, des Wahlkönigtums oder des Erbkaisertums. In; der Hauptsache standen sich schließlich die großdeutsche Direktorialidee und die kleindeutsche Erbkaiseridee gegenüber. Das preußische Erbkaisertum verschloß ja Deutschösterreich vollends die Tür ins Reich; durch dieses Erbkaisertum war aber auch, wie der sächsische Abgeordnete Biedermann voraussagte, der Weg vom Bundesstaate zum Einheitsstaata gegeben, den Millionen Deutscher nicht wollten. Wieder fanden sich in der Abwehr die verschiedenen Motive politischen Denkens zu einer neuen großdeutschen Geimeinschaft zusammen. / Erklärte doch sogar der Schwabe Rümelin, ein Vertreter der Ideen Pfizers, das preußische Erbkaisertum wirke auf Schwaben wie ein Sturzbad kalten Wassers; Uhland warnte, den Reichsapfel abzuschälen und gebrauchte das ideale