Historische Blaetter 3. (1921-1922)
Heinrich R. v. Srbik: Die deutsche Einheitsfrage in der Frankfurter Nationalversammlung
handelt es sich noch. Hier finden wir die liberalen schwarz-rot- goldenen Österreicher des Typus Arneth, der sich ein deutsches Reich ohne die tausendjährige .Gemeinschaft mit Deutschösterreich nicht denken kann, von einer Lockerung des Kaiserstaates in Personalunion aber nichts wissen will und nach dem Wege sucht, die österreichische Sonderpersönlichkeit dem deutschen Nationalstaate einzugliedern. 'Da waren ferner neben einzelnen konservativen Österreichern die Vertreter des sonderstaatlichen Moments der Mittelund Kleinstaaten, zumeist katholische Bayern, Westfalen und Rheinländer, aber auch Protestanten aus Sachsen und Hannover, die durch ein kleindeutsch-preußisches Reich die Selbständigkeit ihrer Vaterländer gefährdet glaubten. Ultramontane und die Mehrheit der strengen Katholiken überhaupt sahen den Katholizismus im Falle des Ausschlusses Österreichs zum Lose der Minderheit im neuen Reiche' verurteilt. Föderalistische und konfessionelle Motive vereinten sich! mehrfach — so in Bayern mit seiner Peripherielage und seiner Sorge vor: der preußischen Gewerbefreiheit — mit wirtschaftlichen. Mehr zeitweilige, Bundesgenossen als integrierender Bestandteil der werdenden großdeutschien Partei waren die österreichischen Demokraten, die Todfeinde des Metternichsdhen Systems, die zumeist nur die zersetzenden, nicht die staatserhältenden Kräfte in Österreich sahen und diesem Staate höchstens als Bund freier Nationen Lebensfähigkeit zusprachen.: Auch die meisten ihrer außerösterreichischen Gesinnungsgenossen konnten sich den deutschen Staat ohne Deutschösterreich nicht denken, mochten, sie nun in der Linken der Nationalversammlung neben der Volks- souvelränitäJt, der demokratischen Freiheit und Einheit des deutschen Vaterlandes Humanität und Nationalität fordern, oder sich1 in der äußersten Linken vorbehaltlos zu den Leitworten der französischen Revolution, der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, bekennen. Der Junghegelianer Rüge hat Österreich geradezu den Beruf des „humanistischen Staatsprinzips“ und der Überwindung des reinen Nationalismus zugesprochen. Überwiegend Republikaner und Vertreter des Uni- tarismus zählten die Demokraten doch auch Anhänger der bundesstaatlichen Vereinigung von Sondertrieb und Einheit in ihren Reihen, und höher als die Einheit stand ihnen die Freiheit. Das Gefühlsmoment, das für Österreich sprach^ kam am herzbewegendsten in dem schwäbischen Demokratismus Ludwig Uhlands zum Ausdrucke. Eine Koalition nur, nicht eine geschlossene großdeutsche Phalanx konnte aus so verschieden gerichteten politischen Tendenzen entstehen. Den Kern der Kleindeutschen bildeten die von Beseler und Droysen, den „Schleswig-Holsteiner Professoren“, geführten AbgeordQß1 >1