Historische Blaetter 2. (1921)

Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)

nächsten Sommer in Ems zu gebrauchenden Kur wieder, gleichwie im Vorjahr, mit Erzherzog Albrecht in Jugenheim, wo es jeden­falls „gemütlicher“ sein würde als in Ems, einige Wochen in vollster Ruhe und Ungeniertheit zu verbringen1. Hier wurde dann tatsächlich das Programm der nächsten Entrevue in Reichstadt eingehend be­sprochen. Wie also die Zusammenkunft von Eger im Jahre 1875 von österreichisch-ungarischer Seite eingeleitet wurde, so ergriff die Initiative zur Reichstadter Entrevue Alexander II.2 Er hatte dem Erzherzog Albrecht gegenüber der Hoffnung Ausdruck gegeben, in Reichstadt auch Andrássy begrüßen zu können. Der Erzherzog er­widerte hierauf, daß gewiß dem Verlangen Alexanders entsprochen werden würde3. Am 1. Juli telegraphierte denn auch Franz Josef dem Zaren: „Mit Vergnügen sehe ich unserer nächsten Eegegnung ent­gegen. Gemäß Deinem Wunsche werde ich dahin den Grafen Andrássy mitbringen“1. Gortschakow war lange Zeit in Unruhe darüber, ob auch er seinen Gebieter begleiten werde. Erst am 25. Juni erhielt er den Befehl hiezu2. Kaiser Wilhelm und Alexander II., die sich bereits in Ems aufhielten, setzten die größten Hoffnungen auf einen gründlichen Gedankenaustausch in Reichstadt. Russischerseits bereitete man sich eingehend darauf vor, um, wie Radowitz, einer der Vertrauten Bis­marcks, dem Grafen Károlyi sagte, eine Form zu finden, die es Österreich-Ungarn ermöglichen würde, „einer eventuellen autonomen Gestaltung der Verhältnisse in Serbien und der Herzegowina, wenn nicht dem Namen, jedoch annähernd der Sache nach zuzustimmen“'. Am 8. Juli geleitete Franz Josef I. den Zaren von Bodenbach, wo er ihn erwartet hatte, nach Böhmisch-Leipa, der Eisenbahnstation, die nach Reichstadt führt. In diesem böhmischen Schlosse selbst fanden am selben Tage die Verhandlungen statt, die den Ausgangs­punkt zur späteren Okkupation von Bosnien und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn bildeten. Hier kam es zu keinen vertragsmäßi­gen Abmachungen. Man begnügte sich mit mündlichen Besprechungen, die dann in ein sogenanntes „Résumé des pourparlers secrets de Reichstadt du 8 juillet 1876“ zusammengestellt wurden. Unmittelbar nach der En­1 Langenau an Andrássy, lettre particuUere Petersburg, 5. April 1876. W. St. A. ‘ Im II. Band, 320, „Graf Julius Andrássy“ vermutete ich noch, daß der Plan zur Entrevue von Reichstadt von Deutschland ausgeheckt worden sei — eine Annahme, die nicht mehr haltbar ist. 3 Telegramm Franz Josefs an Andrássy, Ischl, 25. Juni 1876. W. St. A. 4 Telegramm Franz Josefs I. an Alexander II., Wien, 1. Juli 1876. Ibidem. 5 Telegramm Franz Josefs an Andrássy, Ischl, 25. Juni 1876. Ibidem. 6 Telegramm Károlyié an Andrássy, Berlin, 4. Juli 1876. Ibidem.

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