Historische Blaetter 2. (1921)

Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)

beizuführen. Obwohl wegen seiner Antezedenzien1 in Petersburg nicht gut angeschrieben, der Polenfreundschaft, als Ungar besonders des Russenhasses und eventuell einer aktiveren Politik im Orient ver­dächtig, hatte doch seine Ernennung in Petersburg eher einen günstigen Eindruck gemacht, weil man dort eben hauptsächlich nur darauf be­dacht war, „den Grafen Beust los zu werden“2. Die vorteilhafte Wirkung des Wechsels im Ministerium des Äußern bekam der neue Gesandte in Petersburg, der dort am 25. November 1871, als Nachfolger des Grafen Thun, eintraf, sehr bald zu fühlem. Noch vor seiner Abreise aus Wien hatte ihm schon der Geschäftsträger Baron Franckenstein die erfreuliche Mitteilung gemacht, daß der Ab­gang Beusts und die Ernennung Andrássys ihm seine Stellung am russischen Hof sehr erleichtern werden. Freiherr v. Langenau trat seinen neuen Posten im Besitze der freundlichsten und versöhnlichsten Instruktionen an. Vor allem war er Zeuge des vortrefflichen Ein­druckes, den die „einfache, loyale und friedliche Sprache“ der Zir­kulardepesche Andrássys an alle Missionen auf Gortschakow machte. „Ich kann wohl sagen“ — versichert Freiherr v. Langenau — „daß, meiner Überzeugung nach, von diesem Augenblicke an, eine ent­schiedene Wendung zum Bessern datiert“3. Wie beim Fürsten Gortschakow, fand Langenau auch beim Zaren Alexander II. eine sehr gute Aufnahme. Der russische Kaiser gab seinem Wunsche, mifl Kaiser Franz Josef I. in Frieden und Freund­schaft zu leben, lebhaften Ausdruck. Leicht, meinte er, könnte man sich auch im Orient verständigen. Dagegen warnte er vor allzu großen Zugeständnissen an die Polen; in Galizien, die diese doch nicht be­friedigen und nur den Anlaß zu neuen Begehren bieten würden4. Hatte sich der von Natur aus zur Versöhnlichkeit und Vermittlung neigende Freiherr v. Langenau gleich bei seiner Ernennung als End­zweck seiner Mission die Aufgabe gesteckt, aus allen Kräften der tätige Interpret der friedlichen Absichten Andrássys in Petersburg zu sein, so war er nach den Unterredungen mit Alexander II. und Gortscha­kow Feuer und Flamme für dieses Ziel. „Ich mußte mir sagen“ — erzählte er später — „daß wenn auch seit Jahren, namentlich ,im t Orient und schon zur Zeit des Fürsten Metternich die Interessen Öster­1 Bekanntlich war Graf Julius Andrássy im ungarischen Freiheitskampfe Ge­sandter der Kossuthschen Regierung in Konstantinopel und wurde später in effigie gehenkt. “ Langenau, Mein Wirken. W. St. A. 3 Ibidem. 4 Ibidem. 5

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