Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
höchst wunderliche Zusammenstellung! Plenge1 scheidet von vornherein aus, da er wohl wirtschaftstheoretische, aber keine Fwirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten verfaßt hat. Der „Dialektik am nächsten steht Tönnies“. Daß der Grundgedanken von dessen Schrift „Gemeinschaft und Gesellschaft“ aus der Romantik stammt, übersieht Tröltsch völlig. Eine Zutat aus dem Marxismus ist wohl bei Tönnies vorhanden; wenn er aber der marxistischen Auffassung „am nächsten stehen' soll, so bleibt für die andern nur eine sehr entfernte Nähe übrig. Bei Bücher beweist Tröltsch den Zusammenhang mit Marx durch den Hinweis darauf, daß er „das nachgelassene Werk Schäffles herausgegeben“ und diesem ein Buch gewidmet hat, daß er „sich mit Vorliebe auf Rodbertus, den Schüler deutsch-idealistischer Entwicklungslehre, bezieht“ und daß seine Stufentheorie mit Schönberg zusammenhängt, der seinerseits nach Plenges Mitteilung von Lasalle angeregt war, also mittelbar von Hegelschen Grundgedanken der Methode ausging. Dementsprechend ist auch Büchers „Entstehung der Volkswirtschaft“ ein Aufriß des Ganzen der Kulturentwicklung überhaupt, der sich nach den großen Perioden der ökonomischen Stufen bestimmt und charakterisiert, ein Gedanke, der durchaus dem Marxismus entspricht.Wie man sieht, weiß Tröltsch von den Dingen nur vom unsicheren Hörensagen. Wer Schönberg kennt und gar persönlich gekannt hat, der kann über die Behauptung, daß er „von Hegelschen Grundr gedanken der Methode ausging“, selbst bloß „mittelbar“, nur lächeln. Die Grundgedanken seiner Abhandlung über das mittelalterliche Zunftwesen2 (die allein hier in Betracht kommt, die aber Tröltsch, der wohl nur mit einer Lesefrucht aus Plenge operiert, offenbar nicht einmal dem Titel nach kennt) stammen aus der älteren zünftigen deutschen Zunftgeschichte, z. B. vom Lübecker Wehrmann und von Gierke — also aus der romantisch bestimmten Geschichtsliteratur. Rodbertus hätte Tröltsch hier allenfalls nennen können, der aber sein 201 1 Siehe meine Würdigung seiner Arbeiten in den Jahrbüchern für Nationalökonomie, Bd. 106, S. 667; Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 15, S. 559 f.; meine „Probleme der Wirtschaftsgeschichte“, S. 170, A. 3, und S. 668 (u. d. W. Plenge); F. Lenz, Staat und Marxismus, S. 119. 3 Vgl. aus der in der vorigen Anmerkung zitierten Literatur namentlich die Jahrbücher für Nationalökonomie a. a. 0. Daselbst hätte sich Tr. bequem über den Sachverhalt unterrichten können. Aber er hätte doch auch — wenn er öffentlich einen Einfluß des Marxismus auf Schönberg behaupten wollte — Schönbergs Abhandlung selbst (Jahrbücher für Nationalökonomie, Bd. 9, S. 1 ff.) zur Hand nehmen und aus ihr sich darüber belehren sollen, welche Arbeiten dieser benutzt hat: Hüllmann, Wilda, S. Hirsch, Arnold, Wehrmann usw.; angehängt ist dann noch etwas aus Rodbertus. Die von mir in meinen „Problemen“ S. 232, A. 1 zitierte Äußerung Schönbergs bedarf zu ihrer Erklärung nicht des Hinweises auf Marx oder Lassalle.