Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

deutung der Romantik für die heute hochgeschätzten Erkenntnisse hervorzuheben, haben, wenigstens vereinzelt, vielleicht halb wider Willen, ihre maßgebende Stellung anerkannt. So sagt Eugen Ehrlich, der als extremer „Soziolog“ gelten kann, in seiner „Grundlegung der Soziologie des Rechts“ (1913), S. 384: „Die vornehmste Aufgabe der Rechtsgeschichte muß die bleiben, auf die schon die Regründer der historischen Schule gewiesen haben, die Rechtssätze und die Rechts­einrichtungen aus dem gesamten Volksleben, aus der ganzen gesell­schaftlichen lund wirtschaftlichen Verfassung herauswachsend zu zeigen. Für die Soziologie des Rechts hat sie nur so weit Wert, als ihr das gelingt.“ Die „historische Schule“ ist aber keine andere als die roman­tische. So zeigt sich hier wiederum, wie das angeblich Allermodernste schon den Tagen der Romantik eigen ist. Ich habe schon aus anderm Anlaß Gelegenheit gehabt1, zu schil­dern, wie wenig der Lärm hochtönender Worte, die Ankündigung eines neuen wissenschaftlichen Zeitalters auf Grund einer neuen wissen­schaftlichen Richtung oft den tatsächlichen Leistungen entspricht, wie das Erkennungszeichen einer wahrhaft berechtigten neuen Rich­tung nicht in dem Umfang der programmatischen Deklarationen, son­dern in der Herstellung eines Meisterwerks liegt. Die gleiche Beob­achtung machen wir bei der soziologischen Diskussion. Während die einen Programm auf Programm über die notwendige Erneuerung der Wissenschaft durch die „Soziologie“ häufen und Lehrstühle für das soziologische Fach fordern, von dem sie nicht recht wissen, was; sie ihm zuweisen sollen, während Regierungsbehörden2 den angeblichen Mißerfolg des deutschen Universitätsunterrichts aus der Vernachlässi­gung der „Soziologie“ herleiten, ist die wahrhaft nützliche soziologi­sche Arbeit längst von einer Stelle aus geleistet, ein Meisterwerk ge­schaffen worden, von der man kaum einmal das Wort „Soziologie“ hat nennen hören, geschweige denn, daß man von ihr aus mit ihm, nach Art eines Marktausrufers hat hantieren sehen. „Die soziologische Rechtsauffassung eroberte ... die rechtsgeschichtlichei Forschung“ — sagt Wüstendörfer (Archiv für öffentliches Recht, Bd. 34, S. 417 und 430) — „dank der neueren Germanistik unter Brunners und Gier- kes Führung, dank auch der Vertiefung der romanistischen Studien englisch-französische „Soziologie“ geboren hat — eine Mißgeburt, die allen Ab­scheus wert ist. Die deutsche Wissenschaft braucht daran eben nicht anzuknüpfen, denn sie hat in Fichte, Schelling, Hegel, Ad. Müller, Schleiermacher, Krause und den Alten bereits einen erhabenen Schatz von Wahrheiten, den wieder zu er­obern die erste Aufgabe eines neu erwachten Geschlechtes ist.“ 1 Vgl. Histor. Zeitschr. Bd. 81, S. 270. s Vgl. darüber meine Schrift „Soziologie als Lehrfach“.

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