Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

und die Nationalökonomie zur Lehre von den ökonomischen Ent­wicklungsgesetzen der Völker umgestalten will“1. Seit der Begründung der historischen Nationalökonomie ist die Zahl der wirtschaftsgeschichtlich tätigen Forscher noch größer ge­worden, größer aber nicht etwa infolge eines Eindringens des Marxismus in die wissenschaftlichen Disziplinen, sondern infolge der Ausbreitung der historischen Schule der Nationalökonomie, des fort­schreitenden Anteils der Juristen an den wirtschaftsgeschichtlichen Studien und des Fortschritts der wirtschaftsgeschichtlichen Arbeit innerhalb der zünftigen Geschichtswissenschaft, der zum Teil mit einem Fortschritt in der Erschließung der Quellen zusammenhängt2. Eine besondere Belebung der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Studien brachte die Zeit um 1879. Diese wissenschaftliche Bewegung steht in innerem Zusammenhang mit der neuen Bismarckschen Wirt­schafts- und Sozialpolitik“. Die bedeutende Entwicklung der wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen seit den ersten Tagen der Romantik, über die wir hier 1 Freyer, S. 122 f. S. 126, ein sachlicheres und eben darum gerechteres Urteil als bei Tröltseh. — S. 39 behauptet Freyer, daß „eigentlich romantische Geister nicht unmittelbar historische Arbeit geleistet hätten“. Dies Urteil ist ein Ausfluß der früher erwähnten (Heft 1, S. 8 ff.) falschen Begriffsbestimmung der Romantik. Savigny, J. Grimm, Uhland! Justus Möser (S. 31) ist überwiegend als Vorläufer der Romantiker aufzufassen. — Über das Verhältnis der Romantik zur Land­wirtschaft vgl. neben F. Lenz, Agrarlehre und Agrarpolitik der deutschen Ro­mantik (1912) m. „Probleme der Wirtschaftsgeschichte“ S. 113 ff. 2 Vgl. über die Abhängigkeit des Ganges der Geschichtswissenschaft von der Erschließung des Quellenmaterials m. „Territorium und Stadt“, S. 165 ff. Schon Ed. Winkelmann, Kaiser Friedrich II., Bd. 2 (1897), S. 435, macht die Bemerkung, daß „die Darstellung der älteren Jahrhunderte des Mittelalters sich überwiegend mit der Tätigkeit der Herrscher und der oberen Klassen nicht aus einseitiger Vorliebe für sog. Staatsaktionen beschäftigt, sondern infolge ihrer Abhängigkeit von der Überlieferung, die ihrerseits nur selten in die breiten Schichten der Be­völkerung herabsteigt und noch seltener einen Einblick in die Kräfte und Ge­danken gewährt, von denen diese Kreise bewegt werden.“ Anders werde es mit dem 13. Jahrh., mit dem Wachstum der Städte und der ostdeutschen Kolonisation (der Rückwanderung der Deutschen in den Osten). Wie viel die Rechts- und Wirt­schaftsgeschichte in der jüngsten Zeit der Erschließung der Papyri verdankt, bedarf nur der Andeutung: es handelt sich hier um ein geradezu klassisches Beispiel der Förderung der Wirtschaftsgeschichte durch die Erschließung neuen Quellen­materials. Daß anderseits das Aufgeschlossensein der Forschung für derartige Fragen auch eine Voraussetzung für solche Förderung ist, bin ich am wenigsten geneigt, zu bestreiten (vgl. meine „Parteiamtliche neue Geschichtsauffassung“, S. 13). Aber dieselbe Papyrusforschung zeigt wiederum, daß das entsprechende Aufgeschlossensein im Rahmen unserer alten zünftigen Studien erreicht worden ist. Oder will man Mitteis und Ulr. Wilcken in ihren Forschungen als besonders von Positivismus und Marxismus angeregt sich vorstellen? 3 Diese Auffassung habe ich in meiner „Geschichtschreibung“ vorgetragen und gegen eine sonderbare Bestreitung in meiner „Parteiamtlichen neuen Ge­schichtsauffassung“, S. 37 f., verteidigt. Dieselbe Ansicht wie ich vertreten Hampe und Hänke: siehe ebenda S. 38 und S. 84: Schmollers Jahrbuch. 1921. S. 508.

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