Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
Händen zu greifen, daß sie eine einfache Parallele zur historischen Rechtsschule darstellt und ebenso wie diese von der Romantik ausgeht. Bruno Hildebrand, ihr erster Theoretiker, hat ja selbst in vollkommener Öffentlichkeit und Deutlichkeit bekannt, daß er von Adam Müller ausgehe. Und überhaupt besteht ebenso der äußere genealogische Zusammenhang der Schule (insbesondere mit der historischen Rechtsschule) wie der Zusammenhang der Ideen. Die historische Nationalökonomie faßt die Wirtschaft ebenso als einen Teil der Volkskultur auf wie die historische Jurisprudenz das Recht. Gerade das, was die Grundlage und den Kern der historischen Nationalökonomie ausmacht, übersieht Tröltsch. Sie als einen späten Zweig des Positivismus aufzufassen, ist ihm wohl auch deshalb möglich geworden, weil er nicht erkennt, daß der brauchbare Inhalt des Positivismus von der Romantik schon vorweggenommen worden war1. Ein jüngerer Philosoph, H. Freyer2, hat gleichfalls die historische Nationalökonomie von der Romantik getrennt behandelt, indessen mit unvergleichlich viel mehr Kenntnis der historischen Nationalökonomie, als sie Tröltsch besitzt, und, eben deshalb, mit so viel Argumenten für den Zusammenhang beider, daß man sich nur darüber wundern kann, warum er nicht die Folgerungen aus diesen Argumenten 197 eingehende Kritik geübt habe, so ist diese Kritik nicht von einer außerhalb der historischen Nationalökonomie kommenden Stelle gekommen, sondern ich habe sie als Vertreter eben dieser selben historischen Nationalökonomie geübt. Ich will mich nicht bloß darauf berufen, daß ich von einem ihrer älteren Vertreter (E. Nasse) in die Nationalökonomie eingeführt worden bin. Hauptsächlich glaube ich geltend machen zu dürfen, daß ich stets eine vollkommen einwandfreie historische Nationalökonomie vertreten habe, indem ich nach Anwendung strengster historischer Methode (historischer Methode natürlich nicht bloß im formalen Sinn) und ebenso nach begrifflicher Durchdringung des Stoffs, nach Klarheit der Begriffe (die sich besonders auch in der Ablehnung naturalistischer Vorstellungen äußerte) gestrebt habe. Wenn ich in beiden Eichtungen mit Schmoller zusammengestoßen bin (der nicht die fachmännische historische Methode beherrschte und mit seiner unscharfen Art eine gewisse Weichheit in den Begriffen zeigte), so war ich dabei lediglich Anwalt der historischen Schule und Auffassung, deren Reinheit ich eben gegen ihn verteidigte. Denn auch meine Auseinandersetzung mit Schmoller, Bücher, Sombart usw. in begrifflichen Dingen stützt sich nicht etwa auf eine formale oder auswärts stehende Philosophie, sondern auf historische Erkenntnis. So ergibt sich also bei der historischen Schule der Nationalökonomie in gleicher Weise wie bei der historischen Rechtsschule (s. oben S. 178, Anm. 2), daß die Fehler der Schule in ihrem Rahmen selbst und von ihrem Boden selbst aus berichtigt worden sind. 1 Hier würde ihn der von Rothacker ausgesprochene (oben S. 183, Anm. 1 erwähnte) Tadel treffen. 2 Hans Freyer, Die Bewertung der Wirtschaft im philosophischen Denken der Gegenwart, schildert S. 37 ff., Kap. III, die „romantische Nationalökonomie“, schiebt dann vier Kapitel dazwischen und handelt erst in einem achten Kapitel unter dem Stichwort „der nationale Wirtschaftsorganismus“ von der Begründung der historischen Nationalökonomie.