Historische Blaetter 1. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

strierter Wahrheiten begann dem kritisch fundierten Wirklichkeitssinn, als einem erkenntnisgeschichtlichen Novum, zu weichen.« »In den Programm­schriften Savignys spricht sich eine ausgeprägte und selbstsichere Welt­anschauung aus, die über ihre individuelle Geltung hinaus dem mächtigen Organismus der historischen Schule die Grundlage liefern konnte. Allein die Metaphysik des Volksgeists, die in der ganzen Zeit herrschend blieb,... müßte zu dieser Wahrnehmung hinführen.« Spekulativer Philosoph war Savigny durchaus nicht. Aber wir begegnen bei ihm »auf Schritt und Tritt einem bestimmten System letzter Werthaltungen des Lebendigen und Eigentümlichen, des Organischen und Mannigfaltigen, Naturgemäßen und Echten, Ursprünglichen und Sittlich-Beharrlichen, des Altertümlichen und Ehrwürdigen, Freigewachsenen und historisch Gewordenen, Volkstüm­lichen, Nationalen, Sinnlich-Kräftigen und Anschaulichen, Besonnenen und Unwirren, einer Harmonie der Teile mit dem Ganzen, des Gehaltes mit der Form sowie entsprechenden Abneigungen; das heißt aber zu­gleich einer von diesen Voraussetzungen getragenen universalen Geistes- und Geschichtsphilosophie. Schon die Wendung gegen den »völlig unerleuchteten Bildungstrieb« des 18. Jahrhunderts enthält ein philosophisches Bekenntnis und gliedert Savigny in den großen zweiten Akt der idealistischen Bewegung ein, der von der Kritik des Rationalismus seinen Ausgang nahm1.« Rothacker schildert weiter die Ausbreitung der verschiedenen Gruppen der romantischen Schule und deren spätere Entwicklung. Es sind — da eben die deutsche Geschichtswissenschaft wesentlich aus der roman­tischen Schule stammt — die Hauptstücke jener, über die er zu sprechen hat. Kein Historiker darf sein Buch ungelesen lassen. Gerade auch von den Feststellungen aus, die Rothacker macht, ergibt sich die Unzulässigkeit der Konstruktion, mit der neuerdings E. Tröltsch das Verhältnis der deutschen Geschichtswissenschaft zu Hegel zu be= stimmen gesucht hat. In seiner Abhandlung »Über den Begriff einer historischen Dialektik« (Histor. Zeitschr. 119, S. 373ff.) scheint er die deutsche Geschichtswissenschaft bis zum Einbruch des Naturalismus lediglich von Hegel beeinflußt aufzufassen, indem er diesen positiv durchaus in den Vordergrund stellt und die Romantik im wesentlichen unerwähnt läßt. »Die Grundprobleme der (historischen) Dynamik« — so äußert er sich zum Beispiel (S. 388) — »sind schon lange vor der Selbst­auslieferung der Historie an die Naturwissenschaft und Psychologie ein­gehend und tiefsinnig verhandelt worden. Auf der Grundlage des 18. Jahrhunderts und des deutschen Idealismus fußend, hat vor allem 11 1 Rothacker, S. 43 ff.

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