Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)
Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Nekrologie
Nekrosogie Das Allerhöchste Kaiserhaus erlitt in dem laufenden Jahre folgende schmerzliche Verluste: Se. lais. Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Johann, Einer der vier Feldmarschälle, welche die österreichische Armee bis dahin besaß, erlag am ll. Mai in Gratz einer Lungenlähmung. Erzherzog Johann ward am 20. Jänner 1782 dem Kaiser Leopold II. und der Infantin Marie Luise, Tochter König's Carl's III. von Spanien, als sechster Sohn geboren. Die Anfänge der republilanisch- napoleonischen Sturm- und Drangperiode, in welche seine Jugendzeit fiel; mehr noch die glorreichen Waf- fenthaten, welche sein Bruder Erzherzog Carl in den Feldzügen von 1797 und 1799 gegen Frankreich verrichtete, bewirkten frühzeitig, daß er die Kriegskunst zum Gegenstände eben so ernster Studien machte, wie er sie den Naturwissenschaften und der Geschichte gewidmet. So erhielt er denn schon 1800 — als sein Bruder sich von der Arme zurückgezogen und dessen Nachfolger im Oberbefehl, Feldzeugmeister Kray mehrfache Unfälle erlitten — das Chefcommando über das in Süddeutschland agirende Heer, das bestimmt war, den Marsch Moreau's aufzuhalten. Die Situation war mehr als ernst. Im Juni hatte Napoleon's Sieg bei Marengo den Baron Melas in Oberitalien bis hinter die Minciolinie zurückgeworfen; Moreau war gleichzeitig in das Herz von Baiern vorgedrungen : und während so auf allen Seiten Noth an Mann war, mußte der jugendliche Befehlshaber zunächst nur darauf bedacht sein, den Geist der ihm untergebenen Truppen nach so mancherlei Schlappen aufs neue zu beleben, ehe er dem Feinde entgegentrat. Das Letztere gelang ihm : allein trotz dem und trotz des Erz- herzog's persönlicher Tapferkeit entschied am 3. Dec. 1800 das Glück der Waffen bei Hohenlinden, acht Stunden von München, für seinen Gegner, so daß Oesterreich wenige Monate später den Frieden von Luneville abschließen mußte. Die erneuten Kämpfe Oesterreich's gegen die napoleonische Universalherrschaft in den Jahren 1805 und 1809 drückten dem Erzherzoge abermals das Schwert in die Hand. Vorder Schlacht bei Austerlitz leitete er die Volksbewaffnung in Tirol und Voralberg; befehligte darauf die dort stationirende Heeresabtheilung, welche den Baiern muthigen und mehrmals auch erfolgreichen Widerstand leistete; und faßte dann den genialen Plan, sich über Salzburg tut Rücken des auf Wien losmar- schirenden Napoleon auf die Communicationen des Feindes zu werfen. Die blitzartige Schnelligkeit der Bewegnngen Napoleons vereitelte das Projekt : und als darauf die beiden Brüder Carl und Johann sich in Kärnthen vereinigten, um die Hauptstadt der Monarchie zu retten, zerstörte die Dreikaiserschlacht am 2. December auch diesen letzten Hoffnungsschimmer. Nichts deftoweniger sehen wir den Erzherzog vier Jahre darauf wieder ungebrochenen Muthes damit beschäftigt, die Landwehr und die Reserven zu orga- nisiren, so wie durch Hormayr die ruhmvolle Insurrektion Tirols Gang zu bringen. Bei dem Ausbruche des Krieges übernahm er das Commando des nach Tirolund Italien bestimmten Heeres von Jnneröster- reich, an dessen Spitze er den Vicekönig Eugen mehrmals schlug und bis über die Etsch gedrängt hatte : als die Unfälle der Hauptarmee bei Landshut, Eckmühl und Regensburg ihn zum Rückzuge nöthigten, weil er befürchten mußte von seiner Operationsbasis abgeschnitten zu werden. Hiebei verlor er am 14. Juni die Schlacht bei Raab gegen Eugen und vermochte seine Verbindung mit dem Erzherzoge Carl, die für den Gang der Schlacht bei Wagram jedenfalls ausschlaggebend geworden wäre, nicht mehr rechtzeitig herzustellen. Des Erzherzogs militärische Laufbahn war mit dem Frieden von Schönbrunn abgeschlossen : denn in die Kriege von 1813 bis 1815 griff er nicht weiter ein, als das er die Belagerung der Rheinfestung Hüningen im Elsaß leitete; und gerne gab er sich jetzt wieder ganz ungetheilt wissenschaftlichen Beschäftigungen hin. Wie er schon 1805 die, auf Grund seiner naturhistorischen und antiquarischen Studien über Tirol erfolgte Ernennung zum beständigen Rector der Universität Innsbruck huldvoll angenommen : so durchzog er später, von Natur- und Alterthumsforschern, Malern und Zeichnern begleitet, die Gebirge von Steiermark, von Kärnthen und des Salzkammergutes, um die Geschichte, .den ethnographischen, staats- und land- wirthschaftlichen Zustand dieser Gegend aufzuklären; in seinem neuen Wohnsitze Gratz hatte er bereits 1811 das Johanneum gegründet. Nachdem er mit 18 Jahren Heere kommandirt und mit 27 Jahren sich von der Weltbühne zurückgezogen hatte : beriefen ihn die Ereignisse von 1848 in seinem 67. Lebensjahre nochmals unter den schwierigsten Umständen zu einer hervorragenden politischen Rolle. Mehr wohl der Umstand, daß er am 31. März das Begehren der Masse um Entfernung Metternichs in der kaiserlichen Hofburg zu Wien unterstützte; dann der über die Gränzen Steiermarks und selbst Oesterreichs hinausreichende Ruhm, den der Erzherzog sich als Pfleger der Wissenschaft und als Förderer aller nützlichen Unternehmungen erworben : mehr,