Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)
Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Budapest
Eine historische Skizze. 17 Gottes und nicht in einem Büchersaale Zu sein." In der Bibliothek, für welche der die Wissenschaft beschützende König jährlich 80,000 Dukaten verwendete, waren Gelehrte, wie Thaddaeus Ugoletti, Fontius, Galeotti und der des griechischen und lateinischen, chal- däischen und arabischen Kundige Felix v. Ragusa als Bibliothekare angestcllt. Die reizendr Umgebung von Ofen bildet in der Volkssage sowohl wie in der heimischen Chronik einen bedeututungsvollen Rahmen für manche Erinnerungen an den großen König. Der königliche Thiergarten, der drei Meilen im Umfange hatte, umfaßte den Schwaben-, den Johannesberg und das „Anwinkel", der Name „Mathiasquelle" erinnert direkt an den König, während die vulgäre Benennung „Saukopf" sich auf die ehemalige'Bestimmung der betreffenden Oertlichkeit zu beziehen scheint. Auch die anmuthige Bellevue zur „schönen Schäferin" bringt die Sage mit einem galanten Abenteuer des volksthümlichen Fürsten in Verbindung. An ihn mögen sich auch die Schwesterstädte dankbar erinnern. Pest ward von Mathias mit den vollen Rechten einer königlichen Freistadt bekleidet, Ofen beschenkte er mit der^ früher zu Visegrad gehörigen Pußta Sassad. 1472 errichtete er die erste Buchdruckerei in Ofen, wohin er auch die Preßbmger Universität verlegte. Aber die königliche Stirne des Corviner wußte sich auch in zornige Falten zu legen, und bei einer von der Geschichte nicht des Nähern aufgeklärten Veranlassung schrieb er an die OfnerMathias, Dei gratia Hungarorum Rex. Bonum mane Cives ! ad Regem omnes si non venietis, capita per- detis. Budae Rex. (Mathias von Gottes Gnaden König der Ungarn. Guten Morgen Bürger! 2öenn Ihr nicht alle zum Könige kommt, so verliert ihr die Köpfe). Mit dem gesammten Reiche hatte auch Ofen unter Mathias die höchste Blüthe und den Zenit des Glanzes erreicht, und die Sterbestunde des Königs*) bezeichnet den Beginn des Verfalls. Wieder versam*) Mathias starb zu Wien am 6. April des I. 1490 zwischen 7 und 8 Uhr Morgens im 47. Jahre seines Alters und im 33. seiner Regierung, lieber die Veranlassung seines Todes sind die Geschichtschreiber gethetlter Ansicht. Viele laßen ihn an Gift sterben, das ihm wie die einen sagen durch die eigene Gattin, durch Stephan Sza- polay oder durch Stephan Báthory, nach anderen wieder aufVeranlassung des Sultans oder auch der venettanischen Republik beigebrachtworden wäre. AndereQuellenberich- ten wieder, der König sei am Aborte erdolcht worden. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, daß er vom Schlage getroffen, verschied. Nicht verschweigen wollen wir es jedoch hier, daß, wie auch Teleky erzählt, beim Könige eine sichtbare Verschlimmerung des Gesundheitszustandes von dem Genuß einer Feige entstanden sein soll. Acht Jahre später starb Beatrix zu Jschia, nachdem sie zu wiederholtenmalen und vergeblich gestrebt hatte den nur ungern getragenen Witwenschleier abzulegen, und noch den ungeheuren Kummer erleben mußte, Ot( einem Briefe des römischen Königs mit dem ehrwürdigen Namen „Mutter" angesprochen zu werden. melte sich in Pest ein Landtag und am 15. Juli 1490 wurde Wladislaw II. von Böhmen, der Sohn des Polenkönigs Casimir zum König gewählt, von vier Thronbewerbern war er der Unfähigste; denn die zu immer größerer Macht gelangten Oligarchen suchten nach einem Könige, „den man beim Schopf halten könne" (regem cujus crines continuo in manu teuere posset). Pest und der Rákos erdröhnten in Folge dieser Krönungswahl wieder vom Geräusche der Waffen, denn Albert der Bruder von Wla- dislaus erschien mit einem Heere vor Pest und zog erst ab, nachdem letzterer zu Gunsten des ersteren der Krone von Polen entsagt hatte. Wir haben hier nicht die Folgen zu beleuchten, welche das schwache Regiment Wladislaws für Ungarn nach sich zog. Die Geschichte erzählt es, wie Wien und die anderen stolzen Eroberungen des Corviners unter diesem kraftlosen Herrscher verloren gingen. Wir haben uns lediglich auf die Begebenheiten zu beschränken, deren Schauplatz die beiden Schwesterstädte gewesen. Im Jahre 1493 hatte eine zwischen Christen- und Judenknaben ansgebrochenen Balgerei, blutige Szenen zur Folge. Der Pöbel zog mordend und plündernd gegen die israelitischen Bewohner von Ofen. Das politische Leben der Nation concentrirte sich indessen am linken Strande der Donau, und zwar durch die häufigen Landtage, welche am Rákos abgehalten wurden. (1498, 1499, 1500, 1503, 1505 und 1507.) Der Landtag von 1505 ist durch den Beschluß der Stände bemerkenswerth, in Zukunft keine Ausländer zum Könige zu wählen. Weil es auf dieser weiten Erde — heißt es in der Erklärung der Stände — keine Nation oder kein Volk giebt, das sich nicht aus seinem eigenen Schoße, aus seinem eigenen Blute und seiner Nation einen König und Herrn wählen würde — damit demnach dieses Land, der Schild und die Vormauer der Christenheit, das selbe mit seiner und seiner Sohne großer Aufopferung vertheidtgt, nicht geringer und unglücklicher, wie andere erscheine, haben wir den Beschluß gefaßt, und wir alle insgesammt die Größeren wie bie Kleineren, die Kleineren wie die Größeren beschließen und verordnen: daß von nun an auf ewige Zeiten, so oft und wann immer dieses Land seines Fürsten und Königs beraubt wird — und keine männlichen Erben, auf welche das Land dem Gesetze uud der Gewohnheit gemäß übergeht, übrig bleiben — dann und eben sooft wollen wir keinen Ausländer, er möge was immer für einer Nation und was immer für einer Sprache angehören, zum König erwählen, sondern wir werden lediglich einen zu diesem Amte befähigten und geeigneten Ungarn aufsuchen, den wir mit gemeinsamem Willen, mit einem Herzen und einer Seele nur auf dem Rskoser Felde, und nirgends anders zu erwählen, anzunehmen und anzuerkennen verpflichtet sind." Maximilian, der römische König, der durch diesen Beschluß sein Erbrecht geschmälert sah, griff zu den Waffen, doch kam es bald zum Frieden, nachdem Wladislaw ein männlicher Sprosse geboren ward. Am 1. Juli des Jahres 1506 erblickte der zum Unglück ge- borne Ludwig das Licht der Welt, um 20 Jahre b