Pester Lloyd-Kalender 1859 (Pest)
Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1859 - Geschichte des Jahres
146 Geschichte des Jahres. Colin's mit Havelock's und Outram's Truppen^vor sich gehen. Die Garnison von Lucknow war entsetzt: aber die Briten selber waren den in der volkreichen Stadt und in ganz Oude^herumziebenden Guerillas zu sehr an Zahl unterlegen, als daß sie schon daran hatten denken können, sich in Lucknow zu halten, zumal ehe Centralindien besser gesäubert war. Sir Colin und Havelock hatten sich Zwar einen Pfad durch die mächtige Capitale Kd in die Residenz gebahnt, allein dicht hinter ihnen schloß die Passage sich wieder; Raum ward der Minen Heldenschaar nur gegeben, so weit ihre Musketen und Kanonen reichten: wäre sie in Lucknow geblieben, so hätte sie, mitten in dem großen feindseligen Königreiche von Oude, dem einzigen Punkte Indiens, wo in Folge der alten Feu- >alverfassung und der noch nicht vergessenen Anne- ration, durch die Aufwiegelung der Bauern von Seiten der Lehnsherren die Revolte einen wahrhaft volkstümlichen, nicht blos einen militärischen Charakter angenommen, bald, von Calcutta wie von Allahabad abgeschnitten, das Schicksal jenes Häufleins getheilt, das bis jetzt in der Residenz geschmachtet hatte. Es ward daher die vollständige Räumung Lucknows und der Abzug mit der ganzen Garnison der Residenz beschlossen. Derselbe erfolgte unter heftigen Kämpfen in den Tagen vom 18. bis zum 24. November : nur die Besatzung von Allumbagh blieb zurück, wo Sir James Outram am 25., als Havelock der Ruhr erlag, das Commando übrnahm, das er biS dahin seinem braven Waffengefährten voll Edelmuth - freiwillig abgetreten. Sir Colin kehrte mit den Befreiten nach Cawnpur zurück, wo seine Gegenwart bei den fortwährenden Kämpfen zur Pacisicirung des zwischen den Flüssen Ganges und Dschumna gelegenen Duab sich bald als unumgänglich nothwendig erwies. Zwar hatte vom 21. bis 23. November Brigadier Steward die Rebellen zur Aushebung der Belagerung von Nimutsch gezwungen, ihnen alle Kanonen abgenommen und 1500 Mann getödtet. Eben so batte am 25. Oberst Gérard die aus der Radsch- putana gegen das Duab zu vordringende Dschodpur- Legion gesprengt, ein Sieg, den er allerdings mit dem Leben bezahlte. Endlich hatte Brigadier Windham — aus dem Feldzuge von Sebastopol gleich berühmt durch den Löwenmuth wie durch den Mangel an strategischer Umsicht, den er bei der Erstürmung des Redan gezeigt und daher der „Redan-Windham" genannt — am 26. bei Cawnpur die erste Division des empörten Gwalivr-Contingentes geworfen das aus Centralindien dem Könige von Delhi zu Hilfe eilen wollte. Allein am nächsten Tage überrumpelte das Hauptcorps selber Windham und nahm ihm 3000 Zelte ab: und mit Noth ward am 28. ein Sturm auf die britischen Berschanzungen um Cawnpur selber zurückgeschlagen, bei dem Wilson, der Eroberer Delhi's auf dem Felde der Ehren blieb. An demselben Tage jedoch traf Sir Colin aus Lucknow wieder in Cawnpur ein. Schon am 6. December brachte er den Gwaliorleuten eine entscheidende Niederlage bei, in deren Folge das ganze feindliche Lager mit 16 Kanonen in die Hände der Briten fiel. Die Verfolgung übertrug der Chefcommandant dem General Hope Grant, der die Flüchtigen drei Tage später nochmals erreichte und ihnen ihre übrigen 13 Kanonen abnahm. Den Oberbefehlshaber beschäftigte nunmehr die Sorge, sich reinen Tisch für seine große Campagne gegen Audh zu schaffen, indem er im Duab, nach Centralindien hin, kurz auf der ganzen Linie von den Grenzen des Pendschab, wo Sir John Lawrence mit eisernerStrenge jeden Aufruhrsversuch nie- derh-ielt, bis zu dem Gumtee hin die Guerilla's auseinanderjagte und zugleich mit Jung Bahadur, dem Nepalesen, ein Bündniß schloß, damit dieser mit seinen Gurkas von der Nordseite her über Gorruck- pur einen Einfall in Oudh unternähme, während Sir Colin von Westen her das Königreich angreifen wollte, sobald er sicher war, daß Niemand mehr in seinem Rücken seine Verbindung mit Cawnpur bedrohen könne. Den kleinen Guerillakrieg, der zu diesem Behufe geführt ward, eingehender zu schildern, würde für den Leser, der nicht ganz genaue Specialcharten zur Hand hat, ohne Interesse sein. Bei diesen Märschen und Contremärschen zeichnete sich besonders Oberst Seaton aus, der vom l 1. bis 18. December im Duab Einen Rebellenhaufen nach dem andern zusammenhieb und eine Menge von Artillerie und Lagervorräthen erbeutete und am 27. durch das Treffen bei Mynpooree bis in den Norden des Dcl- ta's zwischen Dschumna und Ganges anfräumte. Am 24. war auch Sir Colin aus Cawnpur aufgebro- chen, um ihn bei der Lösung seiner Mission zu fördern. Der Chefgeneral jagte gleichfalls die Rebellen vor sich her und hieb sie zusammen wo er sie erreichen konnte, namentlich am 2. Jänner mit Verlust all ihrer Kanonen bei Futtighur. Jung Bahadur mit seinen Ghurka's hatte sich inzwischen im Nordwesten von Oude ebenfalls gerührt und am 6. Jänner Go- ruckpur genommen, nachdem Oberst Rowcroft in dem, diese Stadt umgebenden Distrikte noch in den letzten Tagen des alten Jahres in die dichten Haufen der Meuterer Bresche gelegt. Sir James Outram S tapfere Haltung in Allumbagh machte es Sir Colin möglich, alle seine Vorbereitungen zum Oude-Feld- zuge in größter Ruhe zu treffen; mit seinen 4000 Mann unternahm Outram am 22. Dec. einen Ausfall, durch den er die ihn belagernden Feinde zurückwarf und ihnen 4 Geschütze abnahm; erneute Angriffe der Insurgenten schlug er am 12. und 16. Jänner wiederholt zurück; und wieder verloren die Gegner viel Soldaten und Artillerie. Nach Ccntralindien hin waren die Colonneu Sir Hugh Rose's und Sir Robert Jnglis' thätig, um Sir Colin den Rücken zu decken: sie eroberten dort mehrere Forts und schlugen das Gwaliorcontingcntunter den Mauerndes stark