Pester Lloyd-Kalender 1859 (Pest)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1859 - Nekrologie

88 Nekrologie. wurden, wo er am 12. Dezember 1857 in Wien starb. Reguly, Anton, berühmter ungarischer Gelehr­ter, der sich namentlich durch seine Reisen im Ural zur Aufsuchung des magyarischen Idioms bekannt ge­macht, erlag am 23. August, 40 Jahre alt, in Pest einem Blutsturze. Reschid Pascha. Im Jahre 1801 als Sohn eines Wakuf, d. h. eines Administrators wohlthätiger Anstalten, in Konstantinopel geboren, begleitete Re- schid noch im Knabenalter seinen Oheim Ali Pascha, den Gouverneur von Morea, in den Kämpfen gegen die Griechen. Bei Erhebung seines Onkels zum Groß­vezier kehrte er in die türkische Hauptstadt zurück, und zeichnete sich in den Ministerialbureaus bald als so intelligenter Arbeiter aus, daß er zu den wich­tigsten Missionen — bei dem Friedensschlüsse von Adrianopel, bei dem Aufruhr der Albanesen, bei den Zerwürfnissen mit Egypten, am Schluffe der zwan­ziger und Anfangs der dreißiger Jahre — verwendet ward, auch als Berichterstatter des Divans in per­sönliche Berührung mit Sultan Mahmud kam, der in ihm den geeigneten Charakter für seine Reform- pläne erkannte. Als erster türkischer Gesandter in Europa ging Reschid 1834 nach Paris, und im nächst­folgenden Jahre nach London, von wo er 1837 ab­berufen ward, um das Ministerium des Auswärtigen zu übernehmen. Seine durchgreifenden Reformen reizten jedoch den Zorn der Alttürken in so hohem Grade, daß Reschid es für g-rathen hielt, sich nach kurzer Zeit wieder auf seinen Posten bei dem Hofe von St.James zurückzubegeben und dort bis zu Mah- mud's Tode im Jahre 1838 zu verweilen. Abdul Medschid übertrug ihm auf's neue das Portefeuille des Auswärtigen : und nunmehr erwirkte er den be­rühmten Hattischeriff von Gulhane, das große Grundgesetz für die Modernisirung der Türkei, das sodann 1845 durch den „Tansimat", oder die wirk- licheEinführung der europäischen Organisation in viele Verwaltungszweige gekrönt ward,und aus dem endlich jm Februar 1856 der noch radikalere, die Moslim und die Gianrs vor dem Gesetze völlig gleichstellende Hathu- mayum hervorging. Bis an seinen Tod blieb Reschid Pascha, mit nur geringen Unterbrechungen, Haupt und Seele des umgestalteten Osmanenreiches, zu­mal seit die Heirath Eines seiner Söhne mit einer Tochter des Padischah ihn 1853, so zu sagen, zu Abdul Medschid's persönlichem Minister gemacht, und da er stets eben so unbedingt auf des englischen Ge­sandten , Lord Stratford de Redcliffe's, Beistand rechnen konnte, wie dieser auf den seinen. Dann und wann mußte er dem französischen Einflüsse weichen : so noch km August 1857, als Rußland, Preußen, Frankreich und Sardinien durch den Abbruch ihrer diplomatischen Beziehungen zur Pforte die Caffirung der moldauischen Divanswahlen ertrotzten. Allein kaum war die Nachricht von dem, gegen Ende Sep­tember erfolgten Falle Delhi's in Constantinopel angelangt, als auch Reschid schon wieder — zum größten Aerger des französischen Botschafters Thou- venel, der nicht übel Lust hatte, das August-Demon- stratiönchen nochmals aufzuführen — in das Groß- vezierat eingesetzt ward. Er starb am 7. Jänner 1858 ganz Plötzlich an Gehirnkongestionen, während die Vorzimmer seines Palastes mit Audienzsuchenden an gefüllt waren: seit seinem Tode, der mit Lord Red­cliffe's Abberufung fast zusammenfiel, steht die Pforte der beiden Männer beraubt da, auf deren Rath sie sich in stürmischen Zeiten während der letzten Decen- nien vornemlich zu verlassen pflegte. Salles, Graf von, französischer Divisionsge­neral, Großkreuz der Ehrenlegion, bekannt durch feine Waffenthaten in Afrika und in der Krimm, wo er bei dem letzten Sturm auf Sebastopol nur wie durch ein Wunder dem Tode entging, wurde im Alter von 54 Jahren am 2. November 1858 zu Mormas durch seinen Schwager, den Obersten außer Diensten Gra­fen Chanaleilles, der sich angeblich in religiösem Wahnsinn befand, erschossen. Saphir, Moritz, bekannt als humoristischer Schriftsteller, Eigenthümer u. Redakteur des Wiener „Humoristen," Mitglied mehrerer gelehrten Gesell schäften und Ehrenbürger von Pest, starb Anfangs September im 64. Jahre seines Alters an der Was­sersucht in Baden bei Wien. Scheffer, Ary, berühmter französischer Maler und treuer Orleanist, erlag am 15. Juni in Paris einem Herzübel, das sich durch seine Reise zum Be- gräbniß der Herzogin von Orleans verschlimmert hatte. Seine letzte, vier Wochen vor seinem Tode beendete Arbeit besteht in acht Gemälden, die Scenen aus Göthe's Faust darstellen. Scholz, Wenzel, der unvergeßliche Komiker des Karltheaters, 1786 zu Jnsbruck geboren, starb am 5. Oktober 1857 in Wien. Siccardi,Joseph Graf, Vicepräsident des Sena­tes und Präsident des Cassationshofes in Sardinien, ehemaliger Justizminister und Urheber des berühmten, nach ihm benannten Gesetzes über die Säcularisirnng der Klöster, starb am 29. October 1857,53 Jahre alt, zu Turin. Smith, Persifex, nordamerikanischer General und Oberbefehlshaber des Expeditionscorps gegen die Mormonen, starb am 16. April in Fort Lea- venworth. Soyer, Alexis, der berühmte englische Kochkünst­ler, der sich um die Einrichtung der Soldatenküchen in dem Lager der Allirten vor Sebastopol und dann um die bessere Beköstigung der Truppen in den Ka­sernen wichtige Verdienste erworben, starb plötzlich in der Nacht zum 6 August in London. Spleny, Marie, Baronin, Sternkreuzordens­und Pallastdame, Witwe des 1840 verstorbenen Ge­nerals der Kavallerie und Kapitains der ungarischen

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